7.4    Bewertung von Prüfungen zur Schreibfertigkeit

7.4.1 Zur Situation der schriftlichen Fehlerbewertung  

Zur Beschreibung der Situation der schriftlichen Fehlerbewertung[14] ist es notwendig, im Wesentlichen zwei Aspekte zu berücksichtigen, die in diesem Zusammenhang interagieren (vgl. hierzu Tinnefeld 2002: 83ff). Dabei handelt es sich um:
·    die Notation von Fehlern, also die Kategorisierung der von den Prüflingen gemachten Fehler, und
·   die eigentliche Bewertung der Fehler, also die Gewichtung der gemachten Fehler anhand systematisch festgelegter Kategorien.

Die vorliegende Beschreibung der Fehlerbewertung bezieht sich im Wesentlichen auf von Prüflingen erstellte fremdsprachliche Aufsätze. Im Hinblick auf Fehlernotation und -kategorisierung ergibt sich tendenziell eine chaotische Situation. Diese lässt sich in allgemeiner Form in etwa wie folgt darstellen:
·  Fehler werden tendenziell keinerlei Klassifikation zugeführt; sie werden lediglich unterstrichen bzw. unterschlängelt - und nicht einmal dies in systematischer Form;
·   Die Anstreichung von Fehlern erfolgt, ohne dass daraus ein Bewertungsstandard abgeleitet werden könnte. Lediglich aus der Konvention der Fehlernotation lässt sich implizit entnehmen, dass ein senkrechter Strich am Seitenrand wohl einen ganzen Fehlerpunkt und ein waagerechter Strich wohl einen halben Fehlerpunkt bedeutet. Befinden sich am Seitenrand also fünf senkrechte und sechs waagerechte Striche und hat der Prüfling für die entsprechende Aufgabe 12 von 20 möglichen Punkten erhalten, so kann man die oben erwähnten Fehlerwerte für die einzelnen Striche annehmen. Eine solche Fehlernotation ist jedoch viel zu unübersichtlich; sie führt eher zur Desorientierung der Prüflinge, die sich eine solche Arbeit noch einmal ansehen, als zu deren Erhellung. Und auch die Prüfer selbst müssen sich in eine solche Notation nach einiger Zeit erst wieder einfinden, um sich in ihrer eigenen Korrektur orientieren zu können. Eine solche Situation ist mehr oder minder inakzeptabel.
·    Nicht selten wird keinerlei Fehlerzählung durchgeführt, so dass aufgrund der Aktenlage nicht unmittelbar ersichtlich ist, auf welche Weise der Korrektor zu seinem Ergebnis gelangt ist. Eine solche Situation ist nicht nur unbefriedigend, sie sollte in Zukunft weder auf Schul- noch auf Hochschulniveau akzeptiert werden.
·   Nicht selten werden vom Korrektor ad hoc-Kategorien gebildet und diese am Rand notiert - oft sogar in ausgeschriebener Form - , wie z. B. im Französischen:
faute stylistique
faute d’orthographe oder
faute de grammaire.

Eine solche Art der Notation - zumal in ausgeschriebener Form und nicht im Sinne eines auf standardisierten Fehlerkategorien beruhenden Abkürzungssystems - erscheint nicht nur unökonomisch, sondern zudem unprofessionell. Obwohl eine solche Notation im Vergleich zu der davor beschriebenen, vollends unbefriedigenden Situation bereits als Fortschritt gewertet werden kann, besteht hier noch erheblicher Verbesserungsbedarf.

Im Allgemeinen kann auf der Basis von Erfahrungswerten davon ausgegangen werden, dass eine einheitliche Fehlernotation auf Hochschulebene weitgehend inexistent ist. Zudem ist sie nur in seltenen Fällen aussagekräftig in dem Sinne, dass sie unmittelbar aus sich heraus verständlich ist und - beispielsweise von Prüflingen, die ihre Klausur einsehen möchten - ohne zusätzlichen Kommentar des Korrektors verstanden werden kann. Es kann vielmehr eher davon ausgegangen werden, dass sie methodisch oft inakzeptabel und daher dringend reformbedürftig ist. Zudem scheint die Positivkorrektur - also eine Korrekturform, bei der positive Aspekte der Leistung des Prüflings herausgestellt werden, in der Korrekturpraxis die Ausnahme zu sein.

Im Rahmen der Negativkorrektur existieren mehr oder minder eindeutige, im schulischen Fremdsprachenunterricht übliche Abkürzungen zur Kennzeichnung einzelner Fehlerkategorien, z.B.:
· für Grammatik,
· R für Rechtschreibung,
· für Ausdruck,
· K für Konstruktion,
· T für Tempus und
· St für Stellung.

Eine Kategorisierung wie diese gestattet eine unmittelbar verständliche Identifikation von Fehlern und ihre Zuordnung zu dem entsprechenden grammatischen Bereich. Sie repräsentiert somit eine im Wesentlichen akzeptable Situation. Wünschenswert wäre lediglich, die einzelnen Kategorien noch weiter zu untergliedern und sie dadurch mehr zu konkretisieren. Als Desiderat wäre dabei die Anwendung von etwa zehn, klar voneinander getrennten und unproblematisch anwendbaren Kategorien denkbar, die für Fremdsprachenlehrer und -prüfer unmittelbar ersichtlich wären, also keiner umfangreichen theoretischen Einführung bedürften. Eine noch größere Anzahl an Kategorien wäre dagegen nicht zu empfehlen. Dafür sprechen in prüfungsdidaktischer Perspektive die folgenden Gründe:
·   Je größer die Anzahl der Kategorien ist, desto größer ist die Gefahr der potentiellen Überschneidung dieser;
·  Je größer die Anzahl der Kategorien ist, desto schwieriger sind diese in die Bewertungspraxis umzusetzen. Je mehr Kategorien ihm zur Verfügung stehen, desto länger und eingehender muss der Korrektor sich mental mit ihnen beschäftigen, um einen gegebenen Fehler sachgerecht zuzuordnen, desto länger dauert die Korrektur und desto weniger gern wird er sich dieser widmen. Dieser Umstand wirkt sich langfristig nachteilig auf die Bewertungsqualität aus.
Eine Anzahl von zehn Kategorien ist auch unter dem Aspekt hinreichend, als es möglich ist, diese gegebenenfalls zu kombinieren. Wenn ein gegebener Fehler sich beispielsweise als Verbindung eines Grammatikverstoßes und eines Ausdrucksfehlers erweist, so kann dies in der Form G/A notiert werden.

Zu der herkömmlichen Negativkorrektur, in deren Rahmen die Fehler der Studierenden vermerkt werden, sollte die bereits erwähnte Positivkorrektur treten, in der die Leistungen des Prüflings in notenrelevanter Form herausgestellt werden. Für den Bereich der Bewertung der Schreibfertigkeit steht das Kriterium Ausdrucksvermögen für diese Positivkorrektur. Entsprechend kann dann am Textrand das Kürzel AV verwendet werden, um auf diese zu referieren. Die Positivkorrektur sollte, um sich auch optisch von der allgemein in Rot durchgeführten Negativkorrektur zu unterscheiden, in einer anderen Farbe - etwa in Grün - vorgenommen werden. Eine Bewertung wie die hier beschriebene ist prüfungsdidaktisch als wünschenswert anzusehen. Sie kann durchaus Empfehlungscharakter haben.

Die Fehlernotation ist der äußere Ausdruck der Fehlerbewertung. Sie bezieht sich nicht nur auf die quantitative Größe der Kategorisierung von Fehlern, sondern - und dies naturgegeben in erster Linie - auf die quantitative Größe der Fehlergewichtung. Auch hinsichtlich dieser ist es möglich, hier zum Zwecke der Einheitlichkeit der Notation das unterschiedliche Gewicht der einzelnen, vom Prüfling gemachten Fehler auf sehr einfache und unmittelbar ersichtliche Art eindeutig auszuweisen. Die hier vorgeschlagene Notationsweise ersetzt dann diejenige der senkrechten und waagerechten Striche, von denen ja allgemein angenommen werden kann, dass es sich bei ihnen um ganze und halbe Fehler handelt, die jedoch im Einzelfall auch ganz anders gemeint sein können.

Unsere Empfehlung lautet entsprechend, die einzelnen Fehler in ihrer jeweiligen Gewichtung wie folgt zu notieren:
· die Gewichtung eines Fehlers als ganzer Fehler durch Verwendung der Zahl 1;
· die Gewichtung eines Fehlers als halber Fehler durch Verwendung der Bruchzahl ½,
· die Gewichtung eines Fehlers als viertel Fehler durch Verwendung der Bruchzahl ¼.

Diese Notation ist einfach zu handhaben und für den Rezipienten einer so bewerteten Klausur - zum Beispiel den Prüfling, der für die Zukunft aus seinen Fehlern zu lernen gewillt ist - sofort verständlich: Die Schwere der einzelnen Fehler kann aus dieser Notation unmittelbar ersehen werden. Aus dieser Notation kann dann über einen Fehlerquotienten, der sich seinerseits aus den einzelnen Fehlern und ihrer Gewichtung direkt ergibt, die eigene Note nachvollzogen werden (vgl. hierzu auch Schnädter 1991: 636ff).

Die Kombination zwischen Fehlerkategorisierung und Fehlergewichtung sieht in der vorgeschlagenen Notation dann wie folgt aus:
· Ein ganzer Grammatikfehler wird durch die Buchstaben-Zahlen-Kombination G1 notiert;
· Ein halber Ausdrucksfehler wird notiert als ;
· Ein viertel Orthographiefehler wird wiedergegeben als .

Die Positivkorrektur im Rahmen des Ausdrucksvermögens könnte ebenso als AV1, AV½ und AV¼ geschehen.

In Zukunft sollte nicht mehr akzeptiert werden, dass die Fehlergewichtung nicht explizit vorgenommen wird. Prüfungsleistungen müssen auf so detaillierte, so klare, dabei jedoch so ökonomische Weise erfolgen, wie dies im individuellen Falle möglich ist. Sie müssen für Außenstehende unmittelbar ersichtlich und in ihrer Systematik durchschaubar sein: Sie müssen somit prüfungsdidaktischen Grundanforderungen genügen.

Im Folgenden werden Hinweise zu der Gewichtung sprachlicher Fehler in unterschiedlichen, ausgrenzbaren Kategorien im Mittelpunkt stehen. Wir sind uns dabei der Tatsache bewusst, dass es sich um eine sehr komplexe Problematik handelt, die auch in der Literatur bisher nicht abschließend behandelt und auch noch keiner befriedigenden Lösung zugeführt worden ist. Ziel unserer Darstellung ist es:
·  eine größere Einheitlichkeit als bisher in der Fehlerbewertung zu erzielen, so dass gleiche oder ähnliche Fehler auch in gleicher oder ähnlicher Weise bewertet werden, und
·   die Fehlerbewertung möglichst in jedem einzelnen Falle nachvollziehbar werden zu lassen, sie also mit Hilfe einer spezifischen unmittelbar identifizierbaren Notation zu belegen, aus der hervorgeht, aus welchem Grund eine sprachliche Äußerung geahndet worden ist und mit welchem Fehlerpunkt sie belegt wurde, welcher Schwere des Verstoßes sie also gleichkommt.


7.4.2 Bewertungsfaktoren  

In unseren nun folgenden Reflexionen beschäftigen wir uns mit den Bereichen Fehlerbewertung und Fehlergewichtung in konkreter, jedoch übereinzelsprachlicher Perspektive (vgl. auch Tinnefeld 2002: 88ff). Diese wird gewählt, um sicherzustellen, dass möglichst viele Klausurkorrektoren diese als Orientierungsgrundlage verwenden können. Berücksichtigt werden dabei die drei gängigsten Fremdsprachen des deutschsprachigen Raumes - das Englische, das Französische und das Spanische.

Die im Folgenden dargestellten Fehler können in der jeweiligen Fremdsprache als mehr oder minder typisch für deutsche Muttersprachler angesehen werden. Unser Ziel liegt jedoch nicht darin, hier eine möglichst vollständige Liste von Fehlern oder Fehlerkategorien vorzulegen. Auf der Basis der ausgewählten Fehlerkategorien und -beispiele soll vielmehr eine angewandte und anwendbare, auf der Prüfungsdidaktik basierende Philosophie der Fehlerbewertung hervorgehen. Diese hat Vorschlagscharakter. Diesem Verständnis entsprechend, kann jeder Korrektor diese Liste individuell weiter ausbauen und detaillieren. Unser Ziel besteht hier in der Präsentation einiger prüfungsdidaktischer Denkanstöße zur Verbesserung der bestehenden Fehlerbewertung.

Für die Bewertung der Fehlerhaftigkeit schriftlicher Sprachäußerungen können die folgenden Bewertungsfaktoren zugrunde gelegt werden[15]:
· Kommunikation
· Hörbarkeit
· Orientierung an der schulgrammatischen Norm
· Einschätzung von Muttersprachlern
· Verhalten von Muttersprachlern
· Studier- und Berufsfähigkeit.

Auf diese Faktoren sei im Folgenden kurz eingegangen.


7.4.2.1 Kommunikation   

Generell kann festgehalten werden, dass solche Äußerungen, die die Kommunkation verunmöglichen, beeinträchtigen oder zu Missverständnissen führen können, als schwerere Fehler gelten müssen als solche, die diese potentielle Gefahr nicht in sich bergen. Sind die hier angesprochenen Gefahren also gegeben, dann muss der betreffende Fehler als schwerer bzw. gegebenenfalls sogar als sehr schwerer Fehler eingestuft werden. Mit diesem Bewertungsvorschlag wird dem Faktum Rechnung getragen, dass der kommunikativen Funktion von Sprache absolute Priorität zukommt. Würden Fehler, die in diesen Bereich fallen, nicht streng sanktioniert, so würde einer Laxheit im Fremdsprachengebrauch das Wort geredet, die auf die Dauer schädliche Wirkungen entfalten könnte und auf der Basis derer Studierende einen wichtigen extrinsischen Anreiz verlören, die jeweilige Fremdsprache ordentlich und mit ihrem vollen Kommunikationspotential zu erlernen.

Der Ausrichtung an der kommunikativen Qualität der fremdsprachlichen Äußerungen der Prüflinge wird hier somit intentional eine entscheidende Bedeutung zugemessen.


7.4.2.2 Hörbarkeit 

Die Hörbarkeit ist ein wichtiger Faktor für die schriftliche Fehlerbewertung, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so scheinen mag: Schriftliche Äußerungen, die einen Fehler auch in mündlicher Verbalisierung - also dann, wenn der schriftlich fixierte Text vorgelesen wird - zutage treten lassen, sind fehlertheoretisch als schwerwiegender zu betrachten als solche Fehler, die sich in mündlicher Verbalisierung nicht bemerkbar machen. Dieser Bewertungsansatz drängt sich aus zwei Gründen auf:
·  Schriftlich vorhandene, jedoch nicht hörbare Fehler werden von Muttersprachlern leichter überlesen als solche Fehler, die in beiden Dimensionen - der Schriftlichkeit und der Mündlichkeit - erscheinen.
·  Nicht hörbare schriftliche Fehler führen weniger häufig zu Missverständnissen als solche, die in beiden Dimensionen erkennbar sind. Der Grund für diese Feststellung liegt in dem folgenden Zusammenhang: Liest ein Muttersprachler einen von einem Nichtmuttersprachler verfassten Text und kann eine darin enthaltene Äußerung nicht verstehen, wird er sich letztendlich den entsprechenden Satz laut vorlesen, um ihn nach einem oder mehreren Versuchen der leisen Rezeption gegebenenfalls dennoch zu verstehen. Bei diesem lauten Vorlesen erscheint der Satz dann korrekt und wird verstanden: Der schriftlich vorhandene Fehler hat dann visuell zwar zu Konfusion geführt, sich in der mündlichen Dimension jedoch nicht als kommunikationshemmend erwiesen. Aus diesen Zusammenhängen heraus sind Fehler dieses Typs prüfungsdidaktisch nicht als schwerwiegend einzustufen und daher nachsichtig zu sanktionieren.

Die Hörbarkeit eines schriftlich realisierten Fehlers stellt somit einen wichtigen Faktor für dessen prüfungsdidaktische Bewertung dar.

Ein weiterer Hinweis auf die Schwere sprachlicher Fehler ergibt sich aus der Orientierung an der schulgrammatischen Norm.


7.4.2.3 Orientierung an der schulgrammatischen Norm

Mit dem Begriff schulgrammatische Norm meinen wir hier die Gesamtheit der Einschätzungen, die sich einerseits aus an Schulen und Hochschulen verwendeten Grammatiken und der diesen unterliegenden Philosophie ergibt, andererseits jedoch ebenso aus der Expertise der an Schule und Hochschule unterrichtenden Fremdsprachenlehrer und -dozenten. Im Rahmen dieser schulgrammatischen Norm existieren - zum Teil ungeschriebene - Auffassungen darüber, wie leicht oder wie schwer sprachliche Fehler einzustufen sind. Ebenso existieren Auffassungen darüber, welche grammatischen Strukturen bei Schülern und Studenten auf welcher Stufe ihres Spracherwerbs als bekannt vorausgesetzt werden können. Solche Sprachphänomene bzw. Konstruktionen, die in der (Hoch)Schullaufbahn der Prüflinge sehr gründlich und / oder mehrfach bzw. regelmäßig behandelt worden sind, sollten entsprechend streng sanktioniert werden. Solche Sprachphänomene bzw. solche Konstruktionen hingegen, die bei Prüflingen aufgrund dieses allgemeinen Verständnisses nicht als bekannt vorausgesetzt werden können, sollten entsprechend nicht als Fehler geahndet werden.

Insgesamt wird es Prüfern kaum möglich sein, sich - abgesehen von grammatischen Einzelfragen - vollkommen vom schulgrammatischen Denken zu lösen. So wäre es beispielsweise kaum denkbar, die Nichtverwendung kontextuell notwendiger subjonctif-Formen im Französischen überhaupt nicht oder nur im Umfang von etwa einem viertel Fehlerpunkt zu ahnden. Dies bedeutet jedoch gleichzeitig, dass die Schulgrammatik bei der Bewertung sprachlicher Leistungen eine Orientierungsgröße von erheblicher Bedeutung darstellt, die in ihrer Hilfestellung für Klausurkorrektoren nicht unterschätzt werden darf.

Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, der Schulgrammatik gleichsam blind zu folgen - ebensowenig wie es darum gehen kann, diese vollkommen unberücksichtigt zu lassen. Der von uns verwendete Begriff Orientierungsgröße ist somit als zwischen diesen beiden Extrempunkten des ihm unterliegenden imaginären Kontinuums zu verstehen und setzt Prüfer voraus, die sich in sachverständiger Art und Weise mit der Schulgrammatik auseinandersetzen und Ihre Bewertungen fundiert und auf der Basis dieser Reflexionen ihres schulgrammatischen Verständnisses durchführen.


7.4.2.4 Einschätzung und Sprachverhalten von Muttersprachlern

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass solche Fehler, die von Muttersprachlern - und hier setzen wir die Notion des gebildeten Muttersprachlers voraus - als weniger gravierend empfunden werden, von Prüfern auch weniger streng geahndet werden sollten. Umgekehrt sollten Fehler, die Muttersprachler als schwerwiegend empfinden, entsprechend negativ sanktioniert werden. Die Einschätzung von Muttersprachlern hinsichtlich der grammatischen und lexikalischen Zusammenhänge ihrer eigenen Sprache kann somit eine wichtige Instanz für die Leistungsbewertung im Bereich der Schreibfertigkeit sein. Diese Größe sollte jedoch wegen der Subjektivität, die der Befragung einzelner Muttersprachler zugrunde liegt - und im Regelfalle hat ein durchschnittlicher Prüfer ja nicht mehr als einen bis fünf, allenfalls zehn, Muttersprachler zur Verfügung, die er informell befragen kann -, lediglich im Range einer Zusatzinformation behandelt werden: Nicht die gesamte Fehlerbewertung eines Prüfers sollte auf diesem Bewertungsfaktor fußen. 

Zudem kann das Sprachverhalten von Muttersprachlern als Korrektiv für die bisher ersichtlich gewordenen Reflexionen und Prozesse zur Bildung eines für die sprachliche Bewertung anzulegenden Standards genutzt werden, die Klausurkorrektoren zu durchlaufen haben. Gemeint ist hier das Phänomen, dass auch Muttersprachler Fehler in ihrer eigenen Sprache machen. Und dies sind durchaus nicht immer Performanzfehler; es kann sich ebenso um Kompetenzfehler handeln. Eine dritte Kategorie von „Fehlern“ besteht in denjenigen sprachlichen Erscheinungen, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt einem Sprachwandel unterworfen sind.

Da es für deutsche Fremdsprachenprüfer im Einzelfall nicht leicht zu entscheiden ist, um welche dieser Kategorien es sich in einem gegebenen Fall konkret handelt, sei hier die  folgende Leitlinie formuliert:  Wann immer ein Prüfer eine bestimmte sprachliche Konstruktion gehäuft in der Verwendung von Muttersprachlern wahrnimmt, die eine Abweichung von der allgemein gültigen Sprachnorm darstellt – und hierbei ist es zweitrangig, ob es sich um potentielle Kompetenz-, Performanzfehler oder um Erscheinungen potentiellen Sprachwandels handelt -, sollte er hellhörig werden und diese Konstruktion dann, wenn sie von seinen eigenen Prüflingen verwendet wird, nicht vorschnell als Fehler sanktionieren.

Wie wichtig diese Leitlinie ist, sei an einem Beispiel zum Deutschen veranschaulicht. Als in den 1970er Jahren der Gebrauch der Konjunktion weil ohne Inversion aufkam (vgl. Ich kann gerade nicht kommen, weil ich habe keine Zeit), wurde von vielen Zeitgenossen kritisch die Nase gerümpft und diese Verwendung als ‚falsch’ abgetan. Später stellte sich dieses Phänomen als dasjenige eines Sprachwandels heraus, und heute wird dieser Sprachgebrauch allenthalben als mehr oder minder normal - nicht jedoch als inkorrekt - empfunden.

Es ist also umsichtiger für Prüfer, in solchen Fällen vorsichtig zu bewerten und nicht Fehler anzustreichen, die sie in der Retrospektive aufgrund der zu verzeichnenden Sprachentwicklung zu bedauern hätten.


7.4.2.5 Studier- und Berufsfähigkeit

Der vorliegende Faktor mag im gegebenen Kontext auf den ersten Blick ein wenig überhöht erscheinen. Dennoch ist er bei näherer Betrachtung ein realistischer Bewertungsfaktor. Natürlich kann die Frage, ob ein Teilnehmer hochschulischer Sprachkurse, in dessen Rahmen er Fremdsprachenprüfungen ablegt, im Land oder den Ländern der Zielsprache studier- oder berufsfähig ist, auf der Basis einzelner sprachlicher Fehlleistungen nicht pauschal positiv oder negativ beantwortet werden. Treten jedoch ganze Bündel von Fehlern auf, die wiederholt okkurrieren und / oder erhebliche sprachsystematische Mängel erkennen lassen, sind durchaus Zweifel dahingehend geboten, ob dieser Prüfling in der Lage ist, in dieser Fremdsprache ein (Teil)Studium zu absolvieren oder später einen Beruf auszuüben, der Kenntnisse in der betreffenden Fremdsprache erfordert. Dieser Zusammenhang muss besonders in der gegenwärtigen Epoche der Globalisierung berücksichtigt werden - und er ist von erheblicher Bedeutung. Man bedenke, wie geläufig in Lebensläufen von Bewerbern für die Beschreibung von deren Fremdsprachenkenntnissen das Attribut „verhandlungssicher“ auftaucht. Der hohe Anspruch, der sich mit diesem Adjektiv verbindet, kann von den wenigsten Bewerbern tatsächlich eingelöst werden. Prüflinge neigen im Rahmen ihres Selbstmarketings jedoch - nicht zu Unrecht - dazu, von ihrem Recht, mit denjenigen Qualifikationen, die die von ihnen abgelegten Prüfungen ihnen vermitteln, zu werben, auch wirklich Gebrauch machen. Allein aus diesem Grunde ist es für Prüfer wichtig, in jedem einzelnen Falle in Betracht zu ziehen, ob ein solcher Anspruch gerechtfertigt ist oder ob ein Prüfling derart hohe fremdsprachliche Defizite aufweist, dass damit eine Studier- oder Berufsfähigkeit in Bezug auf diese Fremdsprache nicht attestiert werden kann. Sind die Defizite derart schwerwiegend, so sollten sie in der Bewertung auch in dieser Schwere zum Ausdruck kommen und entsprechend negativ sanktioniert werden. Zwar gilt dieser Zusammenhang prinzipiell für die Bewertung aller vier sprachlichen Fertigkeiten, im Rahmen der Schreibfertigkeit treten entsprechende Mängel jedoch in aller Regel am augenfälligsten auf.


7.4.2.6 Bewertungsmatrix

Um die Bewertungskriterien, die sich im Zusammenhang mit der Schreibfertigkeit ergeben, übersichtlicher zu gestalten, ist es Prüfern leicht möglich, diese in Form einer Matrix darzustellen, um den Grad der Schwere der von Prüflingen gemachten Fehler auf einen Blick zu erkennen. Für die hier beschriebenen Bewertungskriterien ergibt sich dann das folgende Bild:


Bewertungs-kriterien


Fehler


leicht


mittelschwer

schwer

Kommunikation





Hörbarkeit





Orientierung an der schulgrammatischen Norm





Einschätzung von
Muttersprachlern





Verhalten von
Muttersprachlern





Studierfähigkeit /
Berufsfähigkeit






Abb. 77: Kriterien für die Bewertung der Schreibfertigkeit

Mit Hilfe einer solchen, rasch erstellten Matrix kann der Prüfer als Klausurkorrektor in Zweifelsfällen Fehler in für ihn zugänglicher und leicht verständlicher Form als schwerwiegende, mittelschwere oder leichte Fehler identifizieren. Auf diese Weise verfügt er über Kriterien, die seine Fehlerbewertung in einer Gesamtschau - gleichsam holistisch - auf eine solide Reflexionsbasis stellen. Die Fehlerbewertung basiert dann nicht mehr auf reinen ad hoc-Entscheidungen, sondern auf fundierter Analyse.

Die hier erarbeiteten Kriterien stellen des Weiteren die Grundlage der nunmehr vorzunehmenden Beschreibung der Bewertung und Gewichtung einzelner sprachlicher Fehler dar.

7.4.3 Fehlerbewertung - exemplarisch

Die exemplarische Fehlerbewertung, die wir im Folgenden durchführen, um unsere Bewertungsphilosophie in illustrativer Form zu erläutern, erfolgt nach unterschiedlichen grammatischen Aspekten (vgl. auch Tinnefeld 2002: 91ff). Die Reihenfolge dieser stellt dabei keine Rangfolge dar. Es wird zunächst der jeweilige, für die Beschreibung relevante Fehler aufgeführt und sogleich korrigiert. Darauf folgt eine Beschreibung der Bewertungssituation auf der Basis der in Kap. 7.4.2 entwickelten Kriterien. Berücksichtigt werden hier - wie allgemein in der vorliegenden Monographie üblich - die Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch. Die relevanten Elemente sind in den Beispielen unterstrichen.

Eine Fehlergewichtung im konkreten Sinne wird an dieser Stelle noch nicht vorgenommen. Hier werden lediglich Bereiche eingegrenzt, innerhalb derer der jeweilige Fehler sanktioniert werden sollte. Diese Bereiche dienen dazu, unsere Bewertungsphilosophie deutlich zu machen. Konkrete Empfehlungen zur Fehlergewichtung werden dann - differenziert für die einzelnen Sprachen - in Kap. 7.4.3.10 vorgenommen.  


7.4.3.1 Tempusgebrauch

Für die Bewertung des Tempusgebrauchs mögen hier die folgenden Beispiele[16] dienen:


Tempusgebrauch


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch



Englisch


have finished  this work yesterday.

finished  this work
yesterday.


Französisch


Si j’aurais plus d’argent, j’achèterais cette maison.

Si j’avais plus d’argent, j’achèterais cette maison.



Spanisch



Ayer he encontrado a María.


Ayer encontré a María.


Abb. 78: Fehlerbewertung: Tempusgebrauch

Tempusfehler wie die für die einzelnen Sprachen zitierten können sich kommunikationsbehindernd auswirken. Sind jedoch, wie hier, durch den Kontext temporale Zusatzinformationen (vgl. die Adverbien yesterday, hier, ayer) gegeben, so relativiert sich diese Einschätzung ein wenig. Hörbar ist der Fehler in allen drei Sprachen. Ein Verstoß gegen die schulgrammatische Norm liegt ebenfalls vor, und dieser ist als schwerwiegend einzustufen. Nach Einschätzung von Muttersprachlern ist ein solcher Tempusgebrauch relativ schwerwiegend: Ihre Reaktion auf diesen Verstoß ist im Allgemeinen negativ; die Fremdsprachenbeherrschung wird entsprechend niedrig eingeschätzt, wenn sich solche Fehler häufen. Begehen werden Muttersprachler einen solchen Verstoß in aller Regel nicht. Häufen sich Fehler dieses Typs und dieser Schwere, kann die Studierfähigkeit oder auch die Berufsfähigkeit in Bezug auf die jeweilige Fremdsprache durchaus als gefährdet angesehen werden, besonders in Kontexten, in denen es auf zeitliche Abläufe oder die häufige Bezugnahme auf Ereignisse und Handlungen in der Vergangenheit ankommt.

Insgesamt ist dieser Typ von Verstoß als ganzer Fehler (Fehlerpunkt: 1,0), in kontextuell eingebetteten Fällen als halber Fehler (Fehlerpunkt 0,5) zu werten.


7.4.3.2 Präpositionen

Für den Bereich der Präpositionen sollen hier die folgenden Beispiele stehen:


Präpositionen


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


He is keen for dating her.

He is keen on dating her.

Französisch


J’insiste à cet argument.

J’insiste sur cet argument.

Spanisch


Estaba pensando a sus vacaciones.

Estaba pensando en sus vacaciones.

Abb. 79: Fehlerbewertung: Präpositionen

Präpositionalfehler wie die hier aufgeführten sind in der Regel nicht unbedingt missverständlich; die Kommunikation wird allenfalls unmaßgeblich beeinträchtigt, indem der Fehler zu einem kurzen Stutzen des Empfängers führen mag. Hörbar sind solche Fehler jedoch allemal. Ein schulgrammatisch relevanter Verstoß liegt jedoch eindeutig vor. Muttersprachler sehen Präpositionalfehler im Allgemeinen als verzeihlich an, da sie vielfach wissen, welche erheblichen Probleme Präpositionen für die Erlernung ihrer Sprache darstellen können[17] - besonders dann, wenn sie zumindest eine Fremdsprache gelernt haben. Muttersprachler selbst sind vor Präpositionalfehlern nicht gefeit, auch wenn sie nicht solch eklatante Fehler begehen würden wie in den zitierten Beispielen. Die Studier- bzw. Berufsfähigkeit der Prüflinge wird durch Fehler im Präpositionalbereich - abgesehen von einigen schwerwiegenden Verstößen - im Allgemeinen nicht gefährdet.

Insgesamt ergibt sich somit eine Bewertung dieser Verstöße als jeweils halber (Fehlerpunkt: 0,5), in schweren Fällen als ganzer Fehler (Fehlerpunkt: 1,0).


7.4.3.3 Subjunktiv

Für den Subjunktiv[18] seien die folgenden Fehler exemplarisch genannt:


Subjunktiv


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


I suggest that he makes his point first.


I suggest that he make his point first.

Französisch


Croyez-vous que cela est vrai?


Croyez-vous que cela soit vrai?

Spanisch


Es necesario que me das este favor.


Es necesario que me des este favor.

Abb. 80: Fehlerbewertung: Subjunktiv

Im vorliegenden Kontext ist es zunächst notwendig, eine Differenzierung zwischen dem Englischen einerseits und dem Französischen und Spanischen andererseits vorzunehmen.

Da der Subjunktiv im Englischen nur noch rudimentär existiert, ist es - wie geschehen - zwar möglich, hier ein Beispiel zu zitieren, jedoch sollte die Fehlerbewertung sich im Englischen von derjenigen im Französischen und Spanischen unterscheiden: Der englische subjunctive ist nicht nur ein mehr oder minder nicht-essentieller Teil des schulischen Lehrplans, er wird - selbst in seinen Restbeständen - auch von vielen Muttersprachlern kaum noch verwendet. Sein korrekter Gebrauch kann somit in (hoch)schulischen Fremdsprachenprüfungen nicht als bekannt und gekonnt vorausgesetzt werden. Aus diesem Grunde sollten subjunctive-Fehler im Englischen nicht sanktioniert werden. Für das Englische ergibt sich hier also der Fehlerpunkt Null.

Im Französischen und Spanischen stellt sich die Situation anders dar. Hier handelt es sich in Fällen wie den zitierten um sprachsystematische Fehler. Diese stören zwar die Kommunikation auch nur in Ausnahmefällen und sind oftmals sogar verzeihlich - zumal auch Muttersprachler, beispielsweise im (gesprochenen) Französisch, subjonctif-Fehler machen, aber es handelt sich bei ihnen dennoch um einen klaren Verstoß gegen die Schulgrammatik. Subjunktiv-Fehler sind im Französischen - im Unterschied zum Spanischen, wo sie durchgehend akustisch wahrnehmbar sind - nicht in allen Fällen hörbar, da bei der größten Gruppe der Verben - denjenigen der ersten Konjugation (Verben auf –er) - die Formen des indicatif mit Ausnahme der ersten und zweiten Person Plural - mit denen des subjonctif zusammenfallen. Davon, dass Studier- oder Berufsfähigkeit durch solche Modusfehler unmöglich gemacht oder stark beeinträchtigt würde, kann auf dem Hintergrund dieser Zusammenhänge nicht ausgegangen werden.

Aus den genannten Gründen sollten Subjunktiv-Fehler im Französischen und Spanischen mit je einem halben Fehler (Fehlerpunkt: 0,5) geahndet werden.


7.4.3.4 Satzbau

Da für den Komplex Satzbau prinzipiell eine Vielzahl von Beispielvarianten zur Verfügung steht, ist es notwendig, hier eine Auswahl zu treffen. Wir entscheiden uns in dieser Situation für Beispiele aus zwei verschiedenen Bereichen des Satzbaus, und zwar für die Konstruktion Komparativ + konjugiertes Verb (vgl. 1) einerseits und für satzwertige Partizipialkonstruktionen (vgl. 2) andererseits:  


Satzbau


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


1. She is as lucky as she
    can be.
2. Seen in this light, it is
easy to solve this
problem.

1. She is as lucky as can be.

2. Seen in this light, this
problem can easily be
solved.


Französisch


1. Ce travail était plus facile
    que je ne pensais[19].
2. Ayant trouvé cette solu-
tion, la vie était beaucoup
plus facile qu’avant.

1. Ce travail était plus facile
    que je ne le pensais.
2. Ayant trouvé cette solu-
tion, elle savait que la vie
était beaucoup plus facile
qu’avant.


Spanisch


1. El chino es más difícil que
    pensaba.
2. Pensando en esta cosa, 
la vida estaba llena de 
alegriá.

1. El chino es más difícil de
    lo que pensaba.
2. Pensando en esta cosa, 
Pedro sentía que la vida
estaba llena de alegría.


Abb. 81: Fehlerbewertung: Satzbau

Satzbaufehler reichen von solchen wie den in der Übersicht unter 1 zitierten, die den Erfolg der Kommunikation nicht wesentlich beeinträchtigen, bis hin zu solchen, die kommunikationsvereitelnd wirken können (vgl. die Beispiele unter 2). Die Hörbarkeit der Fehler ist im Bereich des Satzbaus nahezu immer gegeben. Fehler dieses Typs stellen auch immer Verstöße gegen die schulgrammatische Norm dar. Muttersprachlern unterlaufen solche Fehler im Allgemeinen nicht, und sie  bemerken  diese,  wenn  Nichtmuttersprachler sie machen. Wenn die Studier- bzw. Berufsfähigkeit von diesem Fehlertyp auch nicht generell in Frage gestellt wird, so stellen die kommunikationsbehindernden Varianten von Satzbaufehlern durchaus ein gravierendes Problem dar.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass Satzbaufehler dann, wenn sie - wie in 1 - nicht kommunikationsbelastend wirken, mit einem halben Fehler (Fehlerpunkt: 0,5) zu belegen sind. Wenn sie hingegen potentiell die Kommunikation behindern, so sind sie mit einem ganzen Fehler (Fehlerpunkt: 1,0) zu ahnden.


7.4.3.5  Akzente

Im Bereich der Akzente ist es naturgemäß nicht möglich, englische Beispiele zu zitieren. Die folgenden Beispiele beziehen sich daher ausschließlich auf das Französische und das Spanische. Wir unterscheiden hier zwei Typen von Akzentfehlern: solche, die orthographischer Natur sind (vgl. 1) und solche, die tendenziell grammatischer Natur sind:



Akzente


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


- - -

- - -


Französisch


1. L’année prochaine, il
    travaillera a Paris.
2. Elle a dissimule l’affaire.


1. L’année prochaine, il tra-
    vaillera à Paris.
2. Elle a dissimulé l’affaire.

Spanisch


1. La chica no conoce la
pronunciacion de esta
    palabra.
2. Sin duda, Pedro trabajara
    muy bien.

1. La chica no conoce la
pronunciación de esta
    palabra
2. Sin duda, Pedro trabajará
    muy bien.


Abb. 82: Fehlerbewertung: Akzente

Fehler wie die unter 1 zitierten stören die Kommunikation in aller Regel nicht. Solche wie diejenigen unter 2 hingegen können sie nachhaltig beeinträchtigen. So stutzt der Leser in dem französischen Beispiel, weil er nicht weiß, ob das Partizip falsch geschrieben ist, was auf das passé composé (elle a dissimulé) hindeuten würde, oder ob die Verbform a redundant ist, was auf das présent schließen lassen würde (elle dissimule). Im Spanischen meint der imaginäre Prüfling die Futurform des Verbs trabajar, scheibt jedoch tatsächlich die  Form des pretérito imperfecto de subjuntivo, die in diesem Satz so nicht stehen kann. Die unter 2 zitierten Beispiele wirken daher sowohl für das Französische als auch für das Spanische potentiell kommunikationsbeeinträchtigend.

Fehler wie die vorliegenden stellen einen Verstoß gegen die schulgrammatische Norm dar. Sie können durchaus auch Muttersprachlern unterlaufen. Die Studier- bzw. Berufsfähigkeit derjenigen Prüflinge, die sie machen, stellen diese Fehler jedoch nicht in Frage.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass Akzentfehler wie die unter 1 zitierten als viertel Fehler (Fehlerpunkt: 0,25), solche wie die unter 2 aufgeführten dagegen als halber Fehler gewertet werden sollten (Fehlerpunkt: 0,5).


7.4.3.6  Reine Orthographie

Als Beispiele für solche Fehler, die als rein orthographisch eingestuft werden können, lassen sich die folgenden benennen:



Reine Orthographie

Fehler

Korrekter Sprachgebrauch


Englisch


This matter is really wierd.

 This matter is really weird.


Französisch


Parmi les écrivains français, j’aime, par example, Jules Verne et Georges Simenon.

Parmi les écrivains français, j’aime, par exemple, Jules Verne et Georges Simenon.


Spanisch


La philosophía moderna es muy interesante.


La filosofía moderna es muy interesante.

Abb. 83: Fehlerbewertung: Reine Orthographie

Die Bewertung von Orthographiefehlern geht prinzipiell mit einem erheblichen Problem einher: Orthographiefehler sind nicht in allen Fällen klar von Grammatikfehlern zu unterscheiden. Klausurkorrektoren können sich in vielen Fällen nur auf ihre eigene Intuition verlassen, um zu entscheiden, ob ein vermeintlicher Orthographiefehler auf grammatischer Unkenntnis basiert. Sind sie sich dessen jedoch nicht vollkommen sicher, sollten sie in dieser Frage zu Gunsten des Prüflings entscheiden.

Reine Orthographiefehler führen in aller Regel nicht zu Kommunikationsproblemen. Ebenso sind sie nicht hörbar. Einen Verstoß gegen die (schul)grammatische Norm stellen sie zwar dar, jedoch einen zu vernachlässigenden. Muttersprachler schätzen solche reinen Orthographiefehler aller Erfahrung nach als durchaus verzeihlich ein, zumal sie selbst vor Rechtschreibfehlern nicht gefeit sind. Die Studier- bzw. Berufsfähigkeit der Prüflinge wird durch sie in keiner Weise beeinträchtigt.

Reine Orthographiefehler sollten daher mit nicht mehr als einem viertel Fehler (Fehlerpunkt: 0,25) geahndet werden.

Da die Grenzen zwischen reinen Orthographiefehlern und grammatikrelevanten Orthographiefehlern jedoch fließend sein können, ist es notwendig, die folgende Kategorie zu berücksichtigen.


7.4.3.7 Potentiell grammatik- bzw. lexikrelevante Orthographie

Für diese Kategorie wollen wir hier die nachstehend aufgeführten Beispiele berücksichtigen:


Grammatik- bzw. lexikrelevante Orthographie[20]


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


Because of the noise, she couldn’t here his words.

Because of the noise, she couldn’t hear his words.


Französisch


Ce problème est différend de l’autre.


Ce problème est différent de l’autre.

Spanisch


Estas faldas me parecen interesantes.


Estas faltas me parecen interesantes.

Abb. 84: Fehlerbewertung: Potentiell grammatik- bzw. lexikrelevante Orthographie

Bei den hier aufgeführten Fehlern handelt es sich nicht um reine Orthographiefehler, da sie in das grammatisch-lexikalische System der jeweiligen Sprache eingreifen:
·    Das Adverb here und das Verb hear im Englischen existieren beide, stehen zwar nicht in direkter paradigmatischer Konkurrenz zueinander, lösen - wenn, wie hier, falsch verwendet - beim Rezipienten jedoch zumindest ein Innehalten, wenn nicht gar Verwunderung, aus.
·    Im Französischen existiert sowohl das Adjektiv différent wie auch das Substantiv le différend, das die Bedeutung ‚Meinungsverschiedenheit’ hat. Auch hier stehen beide nicht in einer direkten paradigmatischen Relation; auch hier kann der zitierte Satz jedoch zu einer Verzögerung der Rezeption führen, bis der Leser verstanden hat, was eigentlich gemeint ist.
·    Im Spanischen sind beide Sätze vollkommen korrekt. Ohne das Vorhandensein jeglichen Kontextes kann der Rezipient jedoch nicht wissen, was ausgedrückt werden soll. In einen Kontext eingebettet, wird der Fehler jedoch unmittelbar ersichtlich.
Es ist somit nicht möglich, diese Fehler als reine Orthographiefehler zu analysieren.

Bei grammatik- bzw. lexikrelevanten Orthographiefehlern ist eine Sanktionierung mit einem viertel Fehler unangebracht. Dieser Typ Orthographiefehler sollte daher mindestens als halber Fehler gewertet werden. Wenn es sich um einen konkreten, kommunikationsgefährdenden Fehler handelt, kann dieser Typ auch mit einem ganzen Fehlerpunkt sanktioniert werden.


7.4.3.8 Zielsprachlich nicht existente Ausdrücke 

Bei diesem Fehlertyp ist das vom Prüfling verwendete Lexem in der Fremdsprache in synchronischer Hinsicht in der Gegenwart nicht belegt. Dieser Fehlertyp bezieht sich vorwiegend auf Morphologie und Semantik.

In der folgenden Übersicht werden beide Ebenen betrachtet:
· die morphologische Ebene unter 1 und
· die semantische Ebene unter 2.  


Zielsprachlich nicht existente Ausdrücke


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


1. mothership
2. beamer

1. motherhood
2. projector


Französisch


1. investition
2. conditeur


1. investissement
2. pâtissier

Spanisch


1. investición
2. computor


1. inversión
2. ordenador / computadora

Abb.85: Fehlerbewertung: Zielsprachlich nicht existente Ausdrücke

Solche Ausdrücke, die in einer gegebenen Sprache nicht existieren, führen beim muttersprachlichen Rezipienten in aller Regel zumindest zu einem Stutzen - wie bei den unter 1 zitierten Beispielen -, bisweilen auch zu mehr oder minder völligem Unverständnis - wie bei den unter 2 aufgeführten Beispielen.  Bei solchen Muttersprachlern, die weniger geübte Leser sind, und solchen, die selbst keine Fremdsprachen beherrschen, liegt die Toleranzgrenze noch erheblich niedriger. Dieser Fehlertyp stellt somit ein erhebliches Kommunikationshindernis dar. Die Hörbarkeit ist gegeben; ein Verstoß gegen das lexikalische System der Fremdsprache liegt vor. Die Reaktion von Muttersprachlern in der Kommunikation ist - wenn sie die jeweiligen Äußerungen verstehen - in aller Regel diejenige einer offenen oder versteckten Korrektur der darin auftretenden, fehlerhaften Elemente. Dass sie selbst solche Fehler machen würden, kann weitgehend ausgeschlossen werden. Die Studier- bzw. Berufsfähigkeit der Prüflinge kann durch solche Fehler - zumindest in Einzelfällen - in Frage gestellt sein. Eine solche Sprachverwendung ist für erfolgreiche Kommunikation somit höchst hinderlich.

Insgesamt sollten Verstöße wie die angeführten zumindest als halbe Fehler gewertet werden, in schweren Fällen durchaus auch als ganze Fehler (Fehlerpunkt: 0,5 bis 1,0). 


7.4.3.9 Falsche Freunde

Im Unterschied zu den soeben behandelten Fehlertypen, bei der das jeweilige Wort in der Fremdsprache nicht existiert, geht es sich bei dem Phänomen Falsche Freunde darum, dass das in der Fremdsprache verwendete Wort zwar existiert und einem ausgangssprachlichen Wort bis hin zu vollkommener Identität gleicht, in der Fremdsprache jedoch nicht in dieser Form oder mit diesem Inhalt verwendet wird.

In der folgenden Übersicht werden zwei Ebenen betrachtet:
· diejenige des Genus (außer Englisch) unter 1 und
· diejenige der Semantik unter 2.

Dabei betrachten wir jeweils das Sprachenpaar Fremdsprache – Deutsch:


Falsche Freunde


Fehler

Korrekter Sprachgebrauch

Englisch


1. - - -
2. handy

1. - - -
2. mobile (phone) / cell
phone


Französisch


1. un épisode
2. friseur


1. eine Episode
2. coiffeur

Spanisch


1. el rollo
2. carta

1. die Rolle
2. mapa


Abb. 86: Fehlerbewertung: Falsche Freunde

Während eine Übertragung des inkorrekten Genus auf die Fremdsprache im Allgemeinen nicht gravierend ist und zu keinerlei Kommunikationsproblemen führt, stellen semantische Falsche Freunde sehr schwerwiegende Verstöße dar, bei denen die Kommunikation durchweg gefährdet ist und Missverständnisse generiert werden. Die Hörbarkeit ist dabei durchweg gegeben. Ein Verstoß gegen das System der jeweiligen Fremdsprache liegt vor. Muttersprachler machen solche Fehler im Allgemeinen nicht und schätzen sie bei ausländischen Sprechern entsprechend negativ ein. Studier- bzw. Berufsfähigkeit werden durch die Häufung von Fehlern dieses Typs eingeschränkt.

Fehler wie die unter 1 aufgeführten sollten somit als halbe Fehler (Fehlerpunkt: 0,5) gewertet werden; Fehler wie die unter 2 zitierten dagegen durchweg als ganze Fehler (Fehlerpunkt: 1,0).

Mit Hilfe der angeführten, exemplarischen Charakter aufweisenden Beispiele von Fehlertypen, ihren sprachlichen Erscheinungsformen und prüfungsdidaktischen Implikationen ist deutlich geworden, mit welcher Stoßrichtung die Gewichtung und Bewertung von Fehlern in der täglichen Praxis vorgenommen werden kann. Durch den hier verwendeten Ansatz wird es möglich, bei der Bewertung produktiver Fremdsprachenleistungen von Prüflingen von einer ad hoc-Korrektur wegzukommen und die Fehlerbewertung und -gewichtung auf ein solides Fundament zu stellen. Die Korrektur fremdsprachlicher Prüfungsleistungen erfolgt damit nicht mehr vorwiegend intuitiv, sondern vielmehr auf der Basis begründeter prüfungsdidaktischer Reflexion: Fehlerbewertung und Fehlergewichtung können nur eine Kombination darstellen - aus linguistischen Kriterien und dem Bewusstsein des Faktums, dass die Zielgruppe aus Individuen besteht, die die entsprechende Prüfung ablegen (müssen), um einen studien- und / oder berufsrelevanten Nachweis über ihre Kontaktfähigkeit in der betreffenden Fremdsprache zu erbringen, und über ihre Fähigkeit, unter Studien- oder Berufsbedingungen potentiell im Ausland bestehen zu können.


7.4.3.10 Übersicht zur schriftlichen Fehlerbewertung 

Zum Zwecke einer besseren Übersichtlichkeit - und in Erweiterung der Typen, die bis hier in exemplarischer Form aufgeführt worden sind - sei nachstehend eine umfassende Liste von Fehlertypen und Empfehlungen für deren Bewertung aufgeführt. Dabei werden nicht nur für die oben behandelten Sprachen in vergleichbaren Kategorien jeweils andere Beispiele aufgeführt, sondern es wird darüber hinaus die Anzahl der berücksichtigten Sprachen erweitert, da zusätzlich zum Englischen, Französischen und Spanischen auch das Italienische und das Deutsche (im Sinne von DaF) aufgeführt werden.

Da im Englischen solche Phänomene wie eine ausgeprägte Flexion, multiple Genera und Subjunktiv (weitgehend) fehlen, wird hier empfohlen, die einzelnen Fehlerkategorien für das Englische doppelt so streng zu gewichten wie für die übrigen Sprachen: Eine Kategorie, die im Französischen, Spanischen, Italienischen oder Deutschen beispielsweise mit einem halben Fehlerpunkt zu ahnden ist, wird im Englischen dann entsprechend mit einem ganzen Fehlerpunkt sanktioniert. Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass bei vergleichbarer Leistungsfähigkeit der Prüflinge in den einzelnen Sprachen auch vergleichbare Bewertungsergebnisse ermittelt werden. Würde die hier vorgeschlagene, entsprechend strengere Bewertung im Englischen nicht in dieser Weise zugrunde gelegt, so wären die ermittelten Prüfungsergebnisse für diese Sprache durchgängig zu gut und würden das wahre Leistungsniveau der Prüflinge nicht realistisch widerspiegeln:



Bereich


Fehlertyp

Fehler-
gewichtung


Notation

Beispiel

Lexik


Falsche Wortwahl
(Ww)

1,0


0,5



0,5


0,5




Ww1


Ww½



Ww½


Ww½




EnAt least, the real reason is obvious. (statt: finally)

FrAu futur, je voyagerai beaucoup. (statt: à  l’avenir)

Sp: A la mañana próxima, se fue. (statt: siguiente)

DtIm Futur werde ich mehr reisen. (statt: in der Zukunft)



Wortfehler (Wf) (Ursprungswort in der Zielsprache nicht erkennbar)

1,0


0,5



0,5



0,5



Wf1


Wf½



Wf½



Wf½



En. Many men were there. (statt: people)

Fr: Il y avait beaucoup d’hommes dans la rue. (statt: gens)

Sp: Había muchos humanos en la calle. (statt: gente)

Dt: Auf der Straße waren viele Wesen. (statt: Leute)


Wortfehler (Wf)
(Ursprungswort in der Zielsprache erkennbar)

0,5



0,25



0,25



0,25


Wf½



Wf ¼



Wf ¼



Wf ¼


En. She had a guilty conscious. (statt: conscience)

Fr. C’est une bonne comparation(statt:comparaison)

Sp. Ha adquirido dinero
por  heredancia. (statt: herencia)

Dt. Ihr Kleid war lange. (statt: lang)



Falsche Präposition (Pr)

1,0


0,5


0,5


0,5


Pr1


Pr½


Pr½


Pr½


En. He is interested for music. (statt: in)

Fr.  Elle a oublié à faire ses devoirs. (statt: de)

Sp. Ha olvidado a hacer compras. (statt: de)

Dt. Sie haben Respekt für ihren Lehrer. (statt: vor ihrem Lehrer)


Grammatik



Falscher Accord (Acc) - (Falsche Übereinstimmung Mask. / Fem. oder Sg. / Pl.; ein-schließlich Flexion)

1,0


0,5


0,5


0,5


Acc1


Acc½


Acc½


Acc½



En. The news are on. (statt: is)

Fr. Ils font leur devoir.  (statt: leurs)

Sp. Hace su deberes. (statt. sus)

Dt. Ich habe eine rote Auto. (statt: ein rotes Auto)



Falsche Determinante (Artikel, Begleiter)

1,0


0,5



0,5


0,5


Det1


Det½



Det½


Det½




En. She loves the nature. (statt: She loves nature)

FrCette groupe est très grande. (statt: Ce …. grand )

SpEl calma está bueno. (statt: La … buena)

Dt. Sie möchte sich  eine neue Arbeitsplatz suchen. (statt: einen neuen Arbeitsplatz)



Form (F) (Morphologischer Fehler)

1,0


0,5


0,5


0,5



F1









En. He sended a postcard. (statt: sent)

Fr. J’ai li un livre intéressant. (statt: lu)

Sp. He escribido una carta. (statt: escrito)

Dt. Ich habe ein Buch gelest. (statt: gelesen)



Falsche Konstruktion (K)

1,5



1,0




1,0



1,0



K1½



K1




K1



K1



EnWhere I will go, know I not. (statt: I do not know where I will go)

Fr. Paul, dont le frère je connais, est très gentil. (statt: dont je connais le frère)

Sp. Te lo he esta mañana regalado. (statt: Te lo he regalado esta mañana)

Dt. Er hat gegeben ihm das Buch. (statt: ihm das Buch gegeben)



Falsche Wortstellung (St)

1,0




0,5


0,5



0,5


St1




St½


St½



St½


En. They left yesterday quickly the room. (statt: They quickly left the room yesterday)

Fr. Tu le m’as donné. (statt: me l’as)

Sp. Ella no lo tampoco sabe (statt: lo sabe tampoco)

Dt. Er weiß es nicht auch. (statt: auch nicht)



Falscher Gebrauch der Pronomina (Pron)

1,0

   
0,5

0,5


0,5



Pr1


Pr½

Pr½


Pr½


En. Everyone knows this except I. (statt: me)

Fr. Il leurs écrit. (statt: leur)

Sp. Nos le ha regalado. (statt: lo)

Dt. Sie kann ihn alles erklären. (statt: ihm)



Falscher Tempusgebrauch (T)

1,0



0,5


0,5


0,5




T1









En. Yesterday, she has left later than usual. (statt: she left)

Fr. Hier j’allais au cinéma. (statt: je suis allé)

Sp. Ayer ha llovido mucho. (statt: llovió)

Dt. Als ich ihn traf, hat er gerade gegessen. (statt: hatte ... gegessen)


Abb. 87: Empfehlungen zur schriftlichen Fehlerbewertung

Im Rahmen des Faches Prüfungsdidaktik wird es in Zukunft somit notwendig sein, Fehlertypen in ähnlicher Form, wie es hier geschehen ist, möglichst vollständig zu beschreiben und zu klassifizieren und sie einer allgemein anerkannten - und auch allgemein angewandten - Bewertung und Gewichtung zuzuführen.


7.4.4 Orthographie 

Im Rahmen der Bewertungskriterien der schriftlichen Fehlerbewertung sind orthographische Fehler natürlich zu ahnden, diese Feststellung bedarf im Grunde keiner Erwähnung. Ein Problem, das sich stellt, liegt jedoch in der Frage, ob orthographische Fehler in die Kategorie Sprachliche Korrektheit einbezogen werden sollten oder ob ihnen eine separate Kategorie vorbehalten sein sollte. Wir sprechen uns hier für die zweite Option aus. Die Gründe dafür seien im Folgenden kurz erläutert.

Dass Orthographiefehler geahndet werden müssen, steht im gegebenen Zusammenhang für uns außer Frage. Eine Einstellung wie diejenige, die darin besteht, Rechtschreibfehler nicht mehr für die Ermittlung der Note zu berücksichtigen, weil ja die Gesamtheit aller anderen Fehler bereits recht hoch sei, wird hier nicht geteilt. Werden Orthographiefehler jedoch in die Kategorie Sprachliche Korrektheit einbezogen, dann können sie aufgrund des Anteils von 40 %, der diese Kategorie ausmacht, zu einer ungebührlichen Herabsetzung der Gesamtnote führen. Ein solcher Effekt sollte u.E. vermieden werden, wenn in der Gesamtnote die Leistung des Prüflings auf gerechte Art und Weise widergespiegelt werden soll. Gerade bei Studierenden (oder Schülern), die in der geprüften Fremdsprache aufgrund ihrer Biographie oder ihres familiären Umfeldes (nahezu) muttersprachliche Fertigkeiten entwickelt haben und diese Sprache somit sehr gut beherrschen, jedoch zu Rechtschreibfehlern tendieren, reflektiert die Inklusion der Orthographie in die Kategorie Sprachliche Korrektheit die Gesamtleistung des Prüflings nicht hinreichend zuverlässig.

Wird die Rechtschreibleistung eines Prüflings also separat und in einer Weise bewertet, dass sie - wie hier beschrieben - einen Umfang von lediglich 10 % umfasst, kann eine solche Schieflage in der Bewertung nicht entstehen und die Generierung von Ungerechtigkeit wird vermieden. In der Praxis der Bewertung der Schreibfertigkeit sollte die Orthographie somit generell separat behandelt werden und die Kategorie Sprachliche Korrektheit nur solche Fehler umfassen, die keine Rechtschreibfehler sind. 

Betont werden soll hier jedoch, dass die Kategorie Orthographie ausschließlich auf solche Fehler bezogen sein darf, die reine Orthographiefehler sind (vgl. Kap. 7.4.3.6). Handelt es sich hingegen um solche Fehler, die weniger orthographischen als vielmehr lexikalischen oder grammatischen Ursprungs sind, oder ist nicht eindeutig, dass es sich bei einem gegebenen Fehler um einen reinen Orthographiefehler handelt, so sind diese Verstöße im Rahmen der Kategorie Sprachliche Korrektheit zu ahnden und erhalten auf diese Weise das ihnen zukommende, größere Gewicht in der Bewertung.



7.4.5 Die Bewertungskriterien Ausdrucksvermögen und inhaltliche Gestaltung

Ein essentielles Anliegen der fremdsprachenorientierten Prüfungsdidaktik bezieht sich auf die Bewertungsrelevanz nicht nur der fehlerhaften Leistungen von Prüflingen, sondern auch von deren positiven Leistungsanteilen. Es kann also nicht darum gehen, ausschließlich Fehlerhaftigkeit zu sanktionieren, sondern es muss auch darum gehen, die Leistungen der Prüflinge positiv zu sanktionieren.

Ebenso wie wir dies bereits für den Bereich Sprechfertigkeit getan haben, in dem Kriterien zusätzlich zu demjenigen der Sprachlichen Korrektheit für die Bewertung herangezogen wurden (vgl. 7.2.5.1 und 7.2.5.2), wollen wir dies in paralleler Form für den Bereich der Schreibfertigkeit tun (vgl. hierzu auch Tinnefeld 2002: 97ff). In Ergänzung zu der (negativen) Sanktionierung von Fehlern soll somit auch hier eine Positivkorrektur zur Anwendung gelangen, in deren Rahmen zum einen solche sprachlichen Gesichtspunkte gewertet werden, bei denen der Stil, die Eleganz im Ausdruck und die Treffsicherheit in der Formulierung  berücksichtigt werden und zum anderen der tiefere Sinn der Aussagen des Prüflings in Betracht gezogen wird. Es geht somit um diejenigen Bereiche, die mit den Begriffen Ausdrucksvermögen und inhaltliche Gestaltung belegt werden können.

Das Verhältnis der vier, die schriftlichen Leistungen der Prüflinge repräsentierenden Kriterien kann dann wie folgt festgesetzt werden:


Bewertungskriterien

Gewichtung


Sprachliche Korrektheit

40 %



Orthographie

10 %



Ausdrucksvermögen

25 %



Inhaltliche Gestaltung

25 %



Abb. 88: Kriterien zur schriftlichen Fehlerbewertung

Die negativ zu sanktionierenden Leistungsanteile - also solche, in denen nach Abweichungen von der Sprachnorm Ausschau gehalten wird - machen in diesem Ansatz 50 % der Note aus (Sprachliche Korrektheit 40 % und Orthographie 10 %). Ebenfalls ein Anteil von 50 % der Gesamtnote ergibt sich für die positiv zu sanktionierenden Leistungsanteile (Ausdrucksvermögen 25 % und Inhaltliche Gestaltung 25 %). Somit ergibt sich hier sowohl ein Gleichgewicht hinsichtlich dieser beiden Großbereiche als auch eine Parallelität zu der Bewertung der Sprechfertigkeit, in der dieses Gleichgewicht ja ebenfalls erzielt worden ist. Den Platz der Aussprache im Bereich der mündlichen Fremdsprachenleistungen nimmt hier die Orthographie ein.

Mit diesem Verhältnis der positiven und negativen Anteile der Leistungsbewertung ergibt sich für die Prüflinge somit ein Chance-Risiko-Verhältnis von 50 : 50. Dies bedeutet, dass derjenige Prüfling, der zwar solide schreibt, jedoch in einem sehr einfachen Stil und mit undifferenzierten Inhalten - da er der Meinung ist, seine Gesamtnote würde unter einer differenzierteren, auch sprachlich mit gesteigerten Herausforderungen einhergehenden Darstellung leiden - zu der Übernahme von mehr Verantwortung motiviert wird. Umgekehrt wird derjenige Prüfling, der der Meinung ist, dass die von ihm behandelten Inhalte ob ihrer Qualität -  zusammen mit einigen gut platzierten Ausdrücken - ihm trotz seiner ansonsten relativ bescheidenen schriftlichen Beherrschung der Fremdsprache eine passable Note sichern könnten, zu größerem Bemühen um sprachliche Korrektheit motiviert. Mit anderen Worten bedeutet dies: Nur durch das Gleichgewicht der positiv und der negativ sanktionierten Leistungsanteile ist es möglich, eine gute Gesamtnote ausschließlich auf dem Wege über eine gute Beherrschung der Fremdsprache zu erzielen. Die die Positivkorrektur repräsentierenden Bewertungskriterien sind zwar von prüflingsfreundlichem Charakter, berücksichtigen jedoch gleichzeitig die Beherrschung der Fremdsprache in adäquatem Umfang.

Die Erzielung einer guten Gesamtnote unter Umgehung solider Fremdsprachenkenntnisse wird in diesem System somit unmöglich. Allein darin liegt ein Fortschritt in einer heutzutage immer häufiger anzutreffenden Prüfungspraxis, in der gute Sprachnoten erzielt werden können, ohne dass bei den Prüflingen der dafür notwendige fremdsprachliche Hintergrund vorhanden ist. Würde eine solche Bewertungskonzeption flächendeckend in die Praxis umgesetzt, so würden die modernen Fremdsprachen im Kanon aller Schul- und Studienfächer auch wieder ernster genommen, als es gegenwärtig vielerorts der Fall ist. Dieser Gesichtspunkt geht jedoch über unser hier anvisiertes Reflexionsziel hinaus und wird daher an dieser Stelle nicht weiter verfolgt.


7.4.5.1 Ausdrucksvermögen

Für das Bewertungskriterium Ausdrucksvermögen (vgl. auch Tinnefeld 2002: 98ff), das - wie auch das Kriterium Inhaltliche Gestaltung (vgl. 7.3.5.2), wie bereits erwähnt, in Grün zu korrigieren ist - ergibt sich trotz der grundsätzlichen Verständlichkeit und Plausibilität des Begriffs ein Operationalisierungsproblem. Aus diesem Grunde empfehlen wir die Berücksichtigung der im Folgenden kurz dargestellten Bewertungsfaktoren. Diese Faktoren, die ihrerseits erweiterbar sind, den Klausurkorrektoren jedoch wesentliche Anhaltspunkte liefern, ermöglichen eine prüfungsdidaktisch hochstehende qualitative Einschätzung schriftlicher Fremdsprachenleistungen und stellen somit einen adäquaten Korrekturansatz dar. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Bewertungsfaktoren:
· Verwendung treffender (Fach)Begriffe
· Verwendung textverknüpfender Elemente
· Korrekte Verwendung schriftsprachlich relevanter Konstruktionen
· Berücksichtigung hypotaktischer Konstruktionen
· Hohe type-token ratio.

Diese Faktoren seien im Folgenden kurz dargestellt.


7.4.5.1.1 Verwendung treffender (Fach)Begriffe

Der Bewertungsfaktor der Verwendung treffsicherer (Fach)Begriffe steht für die Leistung der Realisierung von Kontextbezogenheit in Äußerungen. Prüf-, die diese Bedingung erfüllen, stellen ein sprachliches Verhalten unter Beweis, durch das sich auch Muttersprachler auszeichnen. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, die für ein gegebenes Wortfeld notwendigen Vokabeln zur Verfügung zu haben und diese semantisch und pragmatisch adäquat in dem eigenen Text zu verwenden.

Während diese Fähigkeit bei der schriftlichen Erstellung fremdsprachiger Texte die Optimalsituation darstellt, sollten vom Prüfling korrekt verwendete und für den Rezipienten verständliche Paraphrasen von Begriffen, die dem Prüfling fehlen, nicht negativ sanktioniert werden. Für die Verwendung der treffenden Formulierung sollte hingegen eine positive Bewertung erfolgen. Prüflinge, die um diese Bewertungspraxis wissen, werden zudem höher dazu motiviert sein, ihr fremdsprachliches Vokabular beständig zu erweitern.


7.4.5.1.2 Textverknüpfende Elemente

Der vorliegende Bewertungsfaktor bezieht sich auf die Textur von Texten, also auf deren innere Verwobenheit. Ein Text besteht ja nicht aus einer Aneinanderreihung unverbundener Einzelsätze; diese sind ja vielmehr zur Formung eines höheren Textganzen miteinander verknüpft. Diesem Phänomen trägt der vorliegende Bewertungsfaktor Rechnung.

Solche Elemente, die Prüflinge in ihre schriftlichen Texte einfügen und die die Textur des entstandenen Textes ausmachen, sind positiv zu bewerten. Diese Elemente steigern die Lesbarkeit eines Textes beträchtlich: Sie werden von Muttersprachlern gleichsam automatisch in ihre Texte integriert und gewährleisten deren Lesbarkeit zu einem erheblichen Teil. Somit stellen sie ein wichtiges Indiz für die Authentizität von in der Zielsprache verfassten Texten dar. Wenn Prüflinge diese Authentizität schon nicht erreichen, jedoch zumindest bis zu einem gewissen Grad imitieren können, dann sollten sie für diese Leistung belohnt werden. Umgekehrt sollten Prüflinge nicht negativ sanktioniert werden, wenn sie das Gebot der Integration textverknüpfender Elemente in ihre fremdsprachigen Texte nicht oder nicht hinreichend erfüllen.


7.4.5.1.3 Korrekte Verwendung schriftsprachlich relevanter Konstruktionen

Mit diesem Bewertungsfaktor ist die adäquate, den schriftsprachlichen Normen der jeweiligen Fremdsprache entsprechende Verwendung solcher grammatischen Konstruktionen gemeint wie beispielsweise Passiv, Subjunktiv, Gerundium und Partizipialkonstruktionen. Die Fertigkeit, diese und ähnliche Konstruktionen korrekt zu verwenden, verweist auf das Faktum, dass die Prüflinge ein Bewusstsein hinsichtlich der stilistischen Unterscheidungen entwickelt haben, die den beiden Registern ‚geschriebene’ und ‚gesprochene’ Sprache inhärent sind, und dass sie dieses Bewusstsein in entsprechende, adäquate sprachliche Äußerungen zu transferieren imstande sind. Es handelt sich hierbei um ein Bewusstsein, das im Laufe der Zeit immer mehr zu schwinden scheint, da Studierende immer weniger in der Lage sind, die zwischen geschriebener und gesprochener Sprache existierenden Registerunterschiede zu erkennen und auch anzuwenden (vgl. Tinnefeld 1999). Mit der immer weiteren Verbreitung des Internet und den dort dominanten Textsorten wie E-Mail und Chat sowie den neuen Konventionen der Online-Selbstdarstellung mittels Plattformen wie Facebook oder Twitter wird diese Fähigkeit der Registerunterscheidung aller Voraussicht nach auch in Zukunft immer weiter reduziert werden. Allein aus diesem Grunde sollte die stilistisch adäquate Erstellung schriftlicher Texte unter Nutzung der dafür relevanten grammatischen Strukturen mit ihrem jeweils unterschiedlichen Funktionspotential nachdrücklich positiv sanktioniert werden: Konstruktionen wie die genannten repräsentieren ein wesentliches Kriterium für Schriftsprachlichkeit.


7.4.5.1.4 Berücksichtigung hypotaktischer Konstruktionen

Die Okkurrenz hypotaktischer Konstruktionen - also der Verwendung von komplexen Sätzen - ist als ein weiteres wichtiges Kriterium für Schriftsprachlichkeit anzusehen. Hypotaxe ist in gesprochener Sprache im Vergleich zu geschriebener Sprache weit weniger frequent. Somit ergibt sich unter prüfungsdidaktischen Gesichtspunkten die dringende Notwendigkeit, diese in den Arbeiten der Prüflinge positiv zu sanktionieren. Zudem wird auch in diesem Bereich durch eine Positivkorrektur bei den Prüflingen eine gewisse Motivation zur Verbesserung ihres Schreibstils generiert, die sich auch jenseits der einzelnen Prüfung - und selbst jenseits der einzelnen Fremdsprache bis hinein in die Muttersprache - auf deren Enkodierungsfertigkeiten auswirkt. Somit weist die Positivkorrektur auch hier über sich hinaus: Sie kann einen Beitrag zu der allgemeinen Verbesserung schriftlicher studentischer Textproduktion leisten.  


7.4.5.1.5 Type-token ratio

Der Begriff type-token ratio dient der Bezeichnung eines abwechslungsreichen Wortschatzes. Schriftliche Texte sind allgemein durch eine hohe type-token ratio charakterisiert: In ihnen herrscht ein Wortschatz vor, der durch einen hohen Anteil jeweils variierter Lexeme bestimmt wird. Für vergleichbare Referenten - also Phänomene der außersprachlichen Wirklichkeit - wird dabei nicht immer derselbe sprachliche Ausdruck verwendet, sondern dieser wird - möglichst frequent - durch einen jeweils anderen, bis dato noch nicht verwendeten Ausdruck ersetzt, um lexikalische Wiederholungen zu vermeiden und den Text für die Rezipienten auf diese Weise interessant zu gestalten[21]. Eine solche Textkonstitution ist insbesondere aus dem Grunde für die geschriebene Sprache kennzeichnend, weil schriftsprachliche Texte - im Unterschied zu gesprochensprachlichen Texten - mit einem gewissen Zeitpuffer ausgestattet sind: Während für die Enkodierung gesprochener Sprache in aller Regel ein gewisser Zeitdruck herrscht - man möchte ja den Gesprächspartner nicht allzu lange warten lassen, bis er im Gespräch selbst wieder an die Reihe kommt -, hat der Autor eines geschriebenen Textes in aller Regel hinreichend Zeit, ihn nach seinen Vorstellungen zu verfassen. Dieser Zeitfaktor sollte in positiver Weise in die Textproduktion eingehen, und es sollte dabei ein Text entstehen, dem diese Möglichkeit zu zeitlicher Investition positiv anzumerken ist. 

Dieses - zumindest für allgemeinsprachliche schriftsprachliche Texte - gültige Erstellungsprinzip der lexikalischen Variation sollte dann, wenn Prüflinge es in ihren eigenen Texten umsetzen, unbedingt positiv sanktioniert werden. Auf diese Weise leisten Prüfer einen effektiven Beitrag zu einer fundierten, operationalisierten Korrektur des Bewertungskriteriums Ausdrucksvermögen.

Das Bewertungskriterium Ausdrucksvermögen ermöglicht somit eine Positivkorrektur der schriftsprachlichen Äußerungen der Prüflinge und stellt auf diese Weise den Gegenpol zu der Bewertung der Fehlerhaftigkeit in eben diesen dar. Hier liegt also eine klare konzeptuelle Trennung zwischen den Bewertungskriterien - Ausdrucksvermögen einerseits und Sprachliche Korrektheit andererseits - vor, die unbedingt in der Gesamtbewertung zum Ausdruck kommen muss. Daher ist es von großer Bedeutung, dass diese beiden Bewertungskriterien nicht miteinander interferieren dürfen. Es muss also beispielsweise möglich sein, in einem höchst fehlerhaften, jedoch mit hoher Ausdruckskompetenz erstellten Text eines Prüflings, der allein auf der Basis der Sprachlichen Korrektheit mit der Note ausreichend bewertet wird, für das Ausdrucksvermögen die Note sehr gut zu vergeben. Nur unter dieser Bedingung der strikten Trennung beider Bewertungskriterien können diese funktional in befriedigender Form miteinander interagieren. Unzulässig wäre es nach dieser Philosophie hingegen, dem Prüfling für seine Leistung im Ausdrucksvermögen lediglich ein Befriedigend zu geben, weil seine sprachsystematische Leistung nicht besonders gut ist. Ein solches Vorgehen wäre nicht im Sinne unserer Argumentation. Dabei ist zu beachten, dass unser Beispiel nicht einmal als überzogen betrachtet werden kann: Vergleichsweise eklatante Leistungsunterschiede zwischen den Bewertungskriterien Sprachliche Korrektheit und Ausdrucksvermögen sind in der Praxis keine Seltenheit.

Kommen wir nun zu dem zweiten Bewertungskriterium, das der Positivkorrektur zugerechnet werden kann.


7.4.5.2 Inhaltliche Gestaltung

Das Bewertungskriterium Inhaltliche Gestaltung (vgl. auch Tinnefeld 2002: 102ff) ist wohl dasjenige, das sich am meisten einer eindeutigen Konturierung entzieht: Das Phänomen, das gemeinhin mit dem Begriff ‚Inhalt’ bezeichnet wird, ist durch einen erheblichen Grad an Unschärfe gekennzeichnet. Fragen, die als ebenso einfach wie unbeantwortbar erscheinen, sind in diesem Zusammenhang beispielsweise:
·    Was ist Inhalt?
·   Wie kann Inhalt im Sinne eines Bewertungskriteriums im Allgemeinen und im Hinblick auf sprachliche Äußerungen im Besonderen operationalisiert werden?
·    Was ist ‚gut’, was ist ‚schlecht’ an einem gegebenen Inhalt?
·   Welche  konkreten Gesichtspunkte bzw. Teilaspekte eines gegebenen Inhalts lassen sich überindividuell - also unabhängig vom jeweiligen Klausurkorrektor - als positiv, qualitativ hochwertig oder prüfungsdidaktisch interessant und somit in der Bewertung als positiv sanktionierbar einschätzen?

Fragen wie diese - hier mehr oder minder willkürlich herausgegriffenen - werden prinzipiell von jedem Klausurkorrektor auf unterschiedliche Art und Weise beantwortet: Ihre Beantwortung kann zudem nur auf der Basis der Bildung des einzelnen Klausurkorrektors, seiner geistigen Aufgeschlossenheit oder seiner persönlichen Interessenschwerpunkte erfolgen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Liste an potentiellen Einflussfaktoren prinzipiell offen ist.

Trotz dieser komplexen Situation ist es möglich, einige relevante Faktoren zu benennen, die für die Bewertung der inhaltlichen Gestaltung von Texten von Bedeutung sind und die überindividuell als solche akzeptierbar sind. Dabei handelt es sich um:
· die strukturelle Gegliedertheit eines Textes,
· die Stärke und die Relevanz der angeführten Argumente und Beispiele,
· das Vorhandensein und die Art logischer Verknüpfungen,
· die Authentizität der Textsorte  und
· die Berücksichtigung interthematischer Relationen.

Diese Bewertungsfaktoren sollen im Folgenden kurz erläutert werden.


7.4.5.2.1 Die strukturelle Gegliedertheit des Textes

Der Bewertungsfaktor der strukturellen Gegliedertheit des vom Prüfling enkodierten Textes betrifft sowohl dessen Makro- als auch dessen Mikrostruktur. Der Text  sollte dabei zumindest die folgenden Bestandteile enthalten:

a)  Einleitung
Die Einleitung zu einem Text repräsentiert nicht nur die Hinführung zum behandelten Thema, sie dient zudem einer ersten Orientierung in Bezug auf die darauf folgenden Ausführungen. Fehlt eine solche Einführung oder ist sie vorhanden, jedoch inhaltlich nicht hinreichend motiviert, so sollte dies negativ sanktioniert werden. Eine gute Einführung sollte hingegen belohnt werden.

b)  Absätze
Jedem einzelnen Gedanken eines zusammenhängen Textes sollte ein separater Absatz gewidmet sein; innerhalb dieses Absatzes sollte ausschließlich dieser eine Gedanke behandelt werden. Eine implizite oder explizite Behandlung mehrerer zentraler Gesichtspunkte des gestellten Themas führt dagegen zu nichts Anderem als zur Verwirrung des Rezipienten. Die Berücksichtigung dieser engen Korrespondenz zwischen dem Layout-Element Absatz als eigenständiger Sinneinheit und der übergeordneten inhaltlichen Ausarbeitung des Themas sollte in der Bewertung entsprechend belohnt werden. Eine Nichtberücksichtigung dieses Layout-Elements sollte hingegen negativ sanktioniert werden.


c)  Überleitungen
Überleitungen von einem Absatz zum nächsten spiegeln auf transphrastischer Ebene die Textur des entstandenen Textes wider und definieren ihre Bedeutung aus dieser Funktion. Werden Überleitungen vom Prüfling realisiert, so sollten diese entsprechend positiv sanktioniert werden.  Ein Fehlen von Überleitungen ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass es negativ sanktioniert werden sollte.

d)  Schlussfolgerungen
Ebenso wie eine Einleitung sollte ein zusammenhängender Text Schlussfolgerungen enthalten. Sind diese vorhanden und werden sie dazu genutzt, das Thema nochmals auf den Punkt zu bringen und ein übergreifendes Fazit zu ziehen, so ist ein wesentlicher Bestandteil der inhaltlichen Gestaltung des behandelten Themas erfüllt. Entsprechend sollte eine solche Leistung im Rahmen der Bewertung positiv honoriert werden. Fehlen Schlussfolgerungen in dem Text des Prüflings oder sind sie inhaltlich inadäquat, so sollte dies negativ sanktioniert werden.

Am Vorhandensein und der Ausführung der hier aufgeführten Elemente ist  die inhaltliche Qualität eines vom Prüfling in der gegebenen Fremdsprache enkodierten Textes abzulesen. Diese Punkte dienen hier zugleich der (partiellen) Operationalisierung des Bewertungskriteriums Inhaltliche Gestaltung. Sie sollten in dessen Bewertung somit eine wichtige Rolle spielen und entsprechend positiv - gegebenenfalls, wie oben ausgeführt, jedoch auch negativ - sanktioniert werden.


7.4.5.2.2  Stärke und Relevanz angeführter Argumente und Beispiele

Der vorliegende Bewertungsfaktor bezieht sich auf die Aussagekraft der vom Prüfling für das gestellte Thema angeführten Argumente. Um eine hohe Aussagekraft seines Textes zu erzielen, ist es für den Prüfling notwendig, solche Gesichtspunkte zu behandeln, die zielgerichtet sind und im Rahmen der textuellen Gesamtkonzeption logisch erscheinen. Handelt es sich dagegen um solche Argumente, die mehr oder minder aus Nichtwissen - also gleichsam aus der Not heraus, inhaltlich nichts Besseres zu finden - behandelt werden, so sollte der Prüfer sich nicht scheuen, diese negativ zu sanktionieren. Wenn es hier auch nicht möglich ist, konkretere Leitlinien zu entwickeln, so kann doch festgehalten werden, dass Prüfer - die ja in aller Regel auch geübte Leser sind - es im Allgemeinen rasch merken, wenn inhaltsleere Argumente angeführt werden.

Noch problematischer als inhaltsleere Argumente sind solche, die die Themenstellung nicht treffen. Die inhaltliche Relevanz der Argumente ist somit ein wichtiges, unbedingt zu berücksichtigendes Bewertungskriterium. Es ist dabei Aufgabe des Prüfers, eine klare Linie zur Bestimmung desjenigen Punktes zu ziehen, ab dem er ein angeführtes Argument als thematisch nicht mehr relevant ansieht. Diese Grenzziehung kann in der Praxis von der Anzahl der nicht relevanten Argumente in ein und demselben Text beeinflusst werden, Ist lediglich ein Argument von mehreren nicht themenspezifisch, so sollte die Bewertung dessen nicht allzu streng sein. Sind jedoch mehrere der vom Prüfling angeführten Argumente thematisch inadäquat, so sollte dies in der Bewertung unmissverständlich zum Ausdruck kommen.

Einen zusätzlichen Gesichtspunkt, der jedoch in der Tat als besonderes Extra erachtet und entsprechend gewertet werden sollte, stellt die Frage dar, ob die angeführten Argumente für das Land oder die Länder der Zielsprache spezifisch sind. Werden solche Argumente angeführt, die sich aus der Kultur bzw. den Kulturen des oder der Zielsprachenländer ergeben oder die dort gegenwärtig in der Diskussion stehen, so zeigt der Prüfling, dass er sich diesem Kulturkreis mental anzunähern, ihn zu verstehen versucht. In diesem Falle zeigt er das Bemühen, sein eigenes interkulturelles Lernen zur Anwendung zu bringen. Ein solches Bemühen ist in der Beurteilung des von dem Prüfling erstellten Textes positiv zu sanktionieren. Dagegen ist ein fehlgeschlagener oder gar nicht vorhandener Versuch dieser Art neutral zu behandeln und sollte entsprechend nicht geahndet werden.  

Was für die sachlichen Argumente des Prüflings gilt, ist ebenso auf die von ihm gegebenen Beispiele anwendbar. Auch sie müssen adäquat sein und sollten zudem nicht mehrfach demselben Themenbereich entstammen. Soll somit ein Aufsatz zu dem Thema Trends verfasst werden, so sollten nicht mehrere Beispiele aus dem Bereich Mode gegeben werden, sondern etwa eines aus dem Bereich Mode, eines aus demjenigen der Musik, eines aus dem Bereich Geschichte und eines aus der Literatur, um hier nur einige Felder zu nennen. Mangelnde Varianz sollte hier negativ gewertet werden, eine vorhandene Variationsbreite hingegen sehr positiv.

An den von den Prüflingen angeführten Argumenten und Beispielen ist ihr Einfallsreichtum in besonderem Maße abzulesen; hier können sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Originelle Leistung sollten dementsprechend besonders honoriert werden.
  
Aus diesen Überlegungen geht hervor, dass die von den Prüflingen angeführten Argumente und Beispiele - und ihr jeweiliges Zusammenspiel - wichtige Bewertungsgrößen für das Kriterium Inhaltliche Gestaltung darstellen, die von Klausurkorrektoren unbedingt genutzt werden sollten.


7.4.5.2.3 Vorhandensein und Art logischer Verknüpfungen 

Es reicht in einem Text nicht hin, Argumente und mit diesen verbundene Beispiele anzuführen, es ist darüber hinaus auch notwendig, logische Verknüpfungen zwischen diesen zu erstellen. Diese logischen Verknüpfungen gehen in unserem Verständnis über die zuvor behandelten, reinen Überleitungen von einem Gesichtspunkt zum nächsten hinaus: Sie beziehen sich auf den logischen Aufbau des Gesamttextes. Dabei ist von Bedeutung, ob und - wenn ja - wie die verschiedenen behandelten Gesichtspunkte aufeinander aufbauen, ob sie in einer nachvollziehbaren Steigerung vom am wenigsten wichtigen zum wichtigsten - oder umgekehrt, was ebenso legitim ist - entwickelt werden oder ob sie in scheinbar willkürlicher Abfolge auftreten, so dass argumentative Sprünge entstehen. Dabei ist ebenso von Bedeutung, ob diese Abfolge vom Prüfling begründet wird - ob er also Wegweiser in seinem Text aufstellt - oder ob der Rezipient sich in seinem Textverständnis selbst überlassen ist.

Eine Steigerung der Realisierung einer solchen, logischen Abfolge der behandelten Gesichtspunkte bzw. Argumente besteht darin, diese nicht nur inhaltlichstrukturell zu gestalten, sondern sie auch sprachlich umzusetzen. Werden also nicht nur die Sätze vertextet, sondern ebenso die einzelnen Absätze sprachlich ineinander verwoben, so entsteht nicht nur inhaltliche Kohärenz, sondern zudem eine sprachliche Kohäsion, die die Orientierung des Rezipienten stützt und eine didaktische Art der Texterstellung repräsentiert. Zudem entstehen auf diese Weise in der Regel ästhetische Texte. Sollte dieser Gesichtspunkt des Ineinandergreifens inhaltlicher und sprachlicher Strukturierung in dem Text eines Prüflings erfüllt sein, so sollte dies hochgradig positiv bewertet werden.

Ist der Bewertungsfaktor Vorhandensein und Art logischer Verknüpfungen insgesamt erfüllt, so sollte er positiv gewertet werden - und zwar nicht im Sinne eines Bonus, sondern als notwendig zu erfüllende Bedingung der Texterstellung. Aus diesem Zusammenhang folgt jedoch auch, dass das Fehlen logischer Verknüpfungen in von Prüflingen erstellten Texten negativ sanktioniert werden sollte - eine Forderung, die bei diesem Bewertungsfaktor aufgrund seiner Bedeutung für die Textkonstitution hier nachhaltig erhoben wird.


7.4.5.2.4 Authentizität der Textsorte

Der Bewertungsfaktor Authentizität der Textsorte, der einen sehr hohen Anspruch an die Prüflinge stellt, kann im gegebenen Kontext lediglich als Gradmesser der Feinabstimmung der Bewertung gelten: Zum Bewertungsstandard sollte er nicht erhoben werden. Die konkrete Einschätzung der Punktevergabe für diesen Faktor richtet sich dabei jedoch auch danach, ob die prüfungsrelevante Textsorte im vorbereitenden Unterricht behandelt worden ist oder nicht.

Mit dem Begriff Authentizität der Textsorte ist die Frage gemeint, ob ein Prüfling in dem von ihm zu erstellenden schriftlichen Text die für die jeweilige Textsorte typischen Konventionen umsetzt. Soll beispielsweise ein Brief geschrieben werden, sollten die Grundregeln der Brieferstellung beachtet werden. Während diese Anforderung relativ unproblematisch umzusetzen ist, ist die mehr oder minder authentische Erstellung eines imaginären Zeitungsartikels oder einer Buchrezension ungleich schwieriger zu realisieren.

Soll im Englischen beispielsweise ein Essay geschrieben werden, so sind die diese Textsorte kennzeichnenden Regeln zu beachten, die sich auf die Kon-zeption der Makrostruktur von Einleitung, Hauptteil und Schlussfolgerung ebenso beziehen wie auf die Mikrostruktur der einzelnen Absätze. Nur ein Text, der diese grundlegenden Anforderungen erfüllt, kann als essay bezeichnet werden.

Erfüllt ein Prüfling diese Anforderungen, ohne dass sie in der direkten Vorbereitung auf die Prüfung im Unterricht durchgenommen worden sind, sollte er für diese Leistung Bonuspunkte erhalten. Erfüllt er sie auf der Basis der expliziten Vorbereitung auf diese Prüfung, so sollte er dafür im Rahmen der entsprechend festgelegten Punktzahl belohnt werden.


7.4.5.2.5 Berücksichtigung interthematischer Relationen

Bei der Berücksichtigung der inhaltlichen Gestaltung eines Prüfungsaufsatzes ist - ebenfalls im Sinne eines fakultativen Bewertungselementes, dessen Erfüllung mit der Vergabe von Bonuspunkten verbunden ist - nicht zuletzt die Frage von Bedeutung, ob der Prüfling dazu in der Lage ist, das gestellte Thema in einen übergeordneten Zusammenhang einzuordnen und es mit anderen verwandten oder auch unterschiedlichen Bereichen in Beziehung zu setzen. Vermag er dies zu tun, so zeigt er dadurch nicht nur einen hohen Informationsgrad hinsichtlich des gestellten Themas, sondern darüber hinaus auch eine nicht unerhebliche intellektuelle Leistung.

Zu diesem Komplex gehört auch die Frage, ob der Prüfling Interesse am gestellten Thema zeigt und dies beispielsweise dadurch deutlich werden lässt, dass er persönliche Erfahrungen einbringt. Wenn dem so ist, sollte dies von Seiten des Prüfers entsprechend honoriert werden: Ein geübter Leser - und jeglicher Prüfungstext sollte ja nicht für den Prüfer, sondern für einen zumindest imaginären Leser geschrieben sein - erkennt nämlich auf den ersten Blick, ob ein Text von einem Prüfling nur deshalb geschrieben worden ist, weil das Thema entsprechend gestellt war, oder ob dem Text ein echtes Interesse des Prüflings unterliegt: Mit der Bekundung eines solchen Interesses stellt der Prüfling eine gewisse intellektuelle Offenheit unter Beweis – ein Umstand, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Dabei ist der mögliche Einwand, bei diesem Bewertungsfaktor handele es sich nicht um eine sprachliche Leistung im engeren Sinne, nicht stichhaltig: Unabhängig von dem konkreten Sprachstand eines Prüflings - beispielsweise im Englischen, Französischen oder Spanischen - kann davon ausgegangen werden, dass ein Text, dessen Ansatz ein aufgeklärt intellektueller oder zumindest ein vergleichsweise intelligenter ist, von muttersprachlichen Rezipienten in aller Regel ungleich besser aufgenommen wird als ein Text, der diesen Anspruch nicht erfüllt. Eine positive Zusatzbewertung erscheint aufgrund dieses Zusammenhanges somit gerecht und sollte vom Prüfer entsprechend umgesetzt werden.


7.4.6 Übersicht über die Bewertungskriterien

Für die Bewertung der Schreibfertigkeit ergibt sich - im Sinne einer Zusam-menschau - das folgende Bild[22]:


Kriterium

Faktor

Bewertung
(Empfehlungen)

Sprachliche Korrektheit
            (40 %)

Kommunikation


Hörbarkeit



Orientierung an der schul-grammatischen Norm


Einschätzung und Sprach-verhalten von Muttersprachlern


Studier- und Berufsfähigkeit




Bezug auf die einzelnen Sprachstrukturen


Kommunikationsbeeinträchtigende Fehler: negative Sanktionierung

Hörbare Fehler:  negative Sank-tionierung; nicht hörbare Fehler: nachsichtige Sanktionierung

Bewertung in sachverständiger Auseinandersetzung mit der Schulgrammatik

Bewertung relativ subjektiv, daher lediglich im Sinne einer Zusatzinformation zu verwenden

Negative Sanktionierung bei erheblichen sprachsystematischen Mängeln und Auftreten von Fehlerbündeln

Fehlerbewertung wie in Kap. 7.4.3. aufgezeigt


Orthographie
            (10 %)


Reine Orthographie

Sanktionierung als viertel Fehler (Fehlerpunkt 0,25)


Ausdrucksvermögen 
            (25 %)


Verwendung treffender (Fach) Begriffe



Textverknüpfende Elemente



Korrekte Verwendung schriftsprachlich relevanter Konstruktionen

Berücksichtigung hypotaktischer Konstruktionen

Type-token ratio

Positive Sanktionierung im Erfüllungsfall; im Nichterfüllungsfall jedoch keine negative Sanktionierung

Positive Sanktionierung; bei Fehlen entsprechender Elemente jedoch keine negative Sanktionierung

Nachdrücklich positive Sanktionierung


Bewertung im Sinne einer Positivkorrektur

Positive Sanktionierung einer hohen type-token ratio


Inhaltliche Gestaltung
            (25 %)


Strukturelle Gegliederheit des Textes



Stärke und Relevanz angeführter Argumente und Beispiele










Vorhandensein und Art logischer Verknüpfungen

Authentizität der Textsorte





Berücksichtigung inter-thematischer Relationen


Bei adäquater Realisierung positive, bei inadäquater Realisierung entsprechend negative Sanktionierung

Negative Sanktionierung bei inhaltsleeren, thematisch in-adäquaten Argumenten; positive Sanktionierung interkulturell relevanter Argumente.
Positive Bewertung der Variationsbreite gegebener Beispiele, negative Sanktionierung bei mangelnder Varianz. Besonders positive Bewertung von Originalität und Kreativität

Bei Erfüllung positive, bei Nichterfüllung negative Sanktionierung

Bei Erfüllung ohne Behandlung im prüfungsvorbereitenden Unterricht: Bonus;
mit entsprechender Vorbereitung: positive Sanktionierung.

Vergabe von Bonuspunkten


Abb. 89: Übersicht über die Bewertungskriterien zur Schreibfertigkeit

Aspekte wie die hier beschriebenen haben für Prüfer Leitfadenfunktion. Sie gestatten es ihnen, die inhaltliche Gestaltung von Texten auf einer soliden Basis zu bewerten. Dabei bietet sich mit Blick auf eine übersichtlichere Handhabbarkeit der hier vorgestellten und vom Klausurkorrektor gegebenenfalls erweiterbaren Bewertungskriterien und -faktoren die Erstellung einer Matrix an, auf der die relevanten Gesichtspunkte der Leistungsbewertung - beispielsweise mit Hilfe von Plus- bzw. Minuszeichen und gegebenenfalls entsprechenden sprachlichen Vermerken - abgetragen werden können.

Auch für das Bewertungskriterium Inhaltliche Gestaltung kann somit insgesamt festgehalten werden, dass eine Korrektur umso hochwertiger und zuverlässiger ist, je tiefgründiger der Prüfer seine Bewertungskriterien analysiert und hinterfragt. Das Ergebnis wird dann eine vergleichsweise zuverlässige Notengebung sein.

Anhand der hier gegebenen Darstellung ist es jedem Klausurkorrektor auf zugängliche Art und Weise möglich, eine fundierte Orientierung über die konkreten Texte seiner Prüflinge zu erhalten. Zudem kann er seinen Prüflingen gegenüber seine Bewertungskriterien darlegen und sie im Bedarfsfalle auch begründen.  


7.4.7 Zugrundelegung von Fehlerquotient und Ausdrucksquotient

Die Zugrundelegung eines Fehlerquotienten (FQ)[23] für den Bereich der Sprachlichen Korrektheit und der Orthographie und ebenso eines Quotienten für das Ausdrucksvermögen stellt aus unserer Sicht ein wichtiges Element für eine gerechte Bewertung dar. Im Folgenden werden diese beiden Bereiche exemplarisch behandelt.


7.4.7.1 Fehlerquotient 

Werden sprachliche Fehler im Rahmen der Bewertung nicht quantifiziert, können sie nicht in wohlgewichteter und adäquater Form in die Notengebung eingehen. Der rein visuelle Eindruck der Distribution roter Korrekturfarbe in der Arbeit eines Prüflings stellt in dieser Situation kein hinreichendes Kriterium für die Notenvergabe dar. Trotz aller prinzipiellen Problematik, die Fehlerquotienten innewohnen mag - beispielsweise ihre prinzipielle Rest-Subjektivität, die Grenzziehung zwischen einzelnen Noten/Fehler-Bereichen oder die niemals vollkommen zu vereinheitlichende Fehlergewichtung -, bieten sie ungleich mehr Orientierung, als es der rein subjektive Eindruck des Klausurkorrektors je vermag. Fehlerquotienten sollten daher die Grundlage der Bewertung der Sprachlichen Korrektheit und der Orthographie sein. Sie sollten dabei - wie hier gefordert - insgesamt nicht mehr als 50 % der Gesamtnote abdecken. Unter diesen Bedingungen ist die Verwendung von Fehlerquotienten ein wertvolles Mittel der Leistungsbewertung.

Hinzu kommt, dass sogar Studierende, die ja leichtfertig als die Opfer eines Fehlerquotienten angesehen werden könnten, bisweilen seine Einführung fordern - und dies nicht selten dort, wo er zuvor abgeschafft worden ist. Sie tun dies, weil ein Fehlerquotient ihnen Orientierung vermittelt und ihnen - über die reine Notenermittlung hinaus - zeigt, an welchem Punkt ihres  Lernprozesses sie stehen und welchen Weg der Verbesserung sie noch vor sich haben. Nicht zuletzt birgt der Fehlerquotient eine starke Motivation für die Prüflinge, sich sprachsystematisch immer weiter zu verbessern - und er beinhaltet dann, wenn die selbstgesteckten Ziele erreicht worden sind, auch ein erhebliches Lobpotential.

Eine Fehler-Noten-Distribution auf der Basis eines Fehlerquotienten kann wie folgt aussehen:  


Prädikat

Note

Punkte

Fehlerquotient (FQ)
sehr gut
1,0
15
0 – 1,00
sehr gut -
1,3
14
1,01 -1,30
gut +
1,7
13
1,31 – 1,70
gut
2,0
12
1,71 – 2,00
gut -
2,3
11
2,01 – 2,30
befriedigend +
2,7
10
2,31 – 2,70
befriedigend
3,0
9
2,71 – 3,00
befriedigend -
3,3
8
3,01 – 3,30
ausreichend +
3,7
7
3,31 – 3,70
ausreichend
4,0
6
3,71 – 4,00
ausreichend -
4,3
5
4,01 – 4,30
mangelhaft +
4,7
4
4,31 – 5,00
mangelhaft
5,0
3
5,01 – 6,00
mangelhaft -
5,3
2
6,01 – 7,00
ungenügend
6,0
1
7,01 - ∞


Abb. 90: Fehlerquotienten

In der Praxis hat sich gezeigt, dass in übereinzelsprachlicher Perspektive das Verhältnis von etwa einem Fehler auf 100 Wörter zu einem Notenschritt als funktional und bewertungstechnisch zuverlässig einzuschätzen ist. Dennoch sei hier betont, dass es zu dem Bereich des Fehlerquotienten dringend weiterer Forschung bedarf.

Hält man sich die von uns gegebenen Empfehlungen zur Fehlerbewertung (vgl. Kap. 7.4.3) vor Augen, so erkennt man rasch, dass es einer relativ großen Anzahl an Einzelfehlern bedarf, um einen Fehlerquotienten von 5,0  (= fünf Fehler auf 100 Wörter) zu erreichen, ab dem ein Prüfling die Kategorie Sprachliche Richtigkeit nicht besteht. Die Erreichung dieses Quotienten entspricht für jede Einheit von 100 Wörtern fünf Fehlern mit dem Fehlerpunkt 1,0, zehn Fehlern mit dem Fehlerpunkt 0,5 und 20 Fehlern mit dem Fehlerpunkt 0,25. Dabei werden in der Praxis Mischformen auftreten, wobei als grober Mittelwert von einem Fehlerpunkt von 0,5 pro Einzelfehler ausgegangen werden kann.  Verfasst ein Prüfling beispielsweise einen freien Text von 350 Wörtern, so kann er sich in der Kategorie Sprachliche Richtigkeit 17,25 Fehler - dies entspricht 34,5 Fehlern mit dem Fehlerpunkt 0,5 - leisten, um  diese  Kategorie  noch  zu  bestehen  (FQ: 4,93).  Und diese Kategorie macht lediglich 40 % der Gesamtnote aus. Setzt man Orthographiefehler - wie hier vorgeschlagen - als selbstständige Kategorie an, so kann der Prüfling in dem zugrunde gelegten Text einer Länge von 350 Wörtern nochmals 69 Orthographiefehler begehen, um auch diese Kategorie gerade noch zu bestehen - und diese macht insgesamt lediglich 10 % der Gesamtnote aus. Diese Ausführungen machen deutlich, dass der gemeinhin gern erstellte Bezug zwischen der Verwendung eines Fehlerquotienten und der Vorstellung einer zu strengen Bewertung unter den beschriebenen Vorgaben nicht greift. Dies gilt vor allem, wenn man bedenkt, dass die so ermittelte Note lediglich 50 % der Gesamtnote ausmacht.  Es wäre interessant zu erforschen, auf welche Weise eine strengere Bewertung zustande kommt: Mittels einer intuitiven Bewertung auf rein visueller Basis aufgrund der sich in einer konkreten Klausur befindenden Anteile an roter Korrekturfarbe oder unter Verwendung eines Fehlerquotienten. Dass die Verwendung eines Fehlerquotienten die im Vergleich objektivere Option darstellt, darf bis zum Beweis des Gegenteils vorausgesetzt werden (vgl. hierzu auch Kap. 8.4.2).

In Parallelität zum Fehlerquotienten für die Negativkorrektur sollte konsequenterweise ein Ausdrucksquotient für die Positivkorrektur eingeführt werden.


7.4.7.2 Ausdrucksquotient

Der von uns geforderte Ausdrucksquotient (AQ) wird in der Weise ermittelt, dass sprachlich herausragende Lexeme, Konstruktionen und Ausdrücke sowie Textverknüpfungselemente in den freien Texten der Prüflinge vom Klausurkorrektor - beispielsweise durch Unterstreichung - markiert und positiv am Rand vermerkt werden. Wie bereits angedeutet, sollte dieser Vorgang in einer anderen Korrekturfarbe als Rot - beispielsweise in Grün - geschehen. Methodisch erfordert diese Korrektur einen separaten Lesevorgang des Prüfers. Dieser Ausdrucksquotient kann dann - ebenso wie der Fehlerquotient - mit den Punktwerten 0,25, 0,5 und 1,0 belegt werden. Klausurkorrektoren sei hier jedoch empfohlen, eher die großzügigere Option jeweils eines vollen Ausdruckspunktes (1,0) zur Anwendung zu bringen, um die positiven Leistungen des Prüflings stärker zu honorieren, als dessen Fehler zu sanktionieren. Natürlich ist es jedem Klausurkorrektor unbenommen, eine vollkommene Symmetrie zwischen (negativen) Fehlerpunkten und (positiven) Ausdruckspunkten anzustreben und somit die zuvor erwähnten, gestuften Ausdruckspunkte zu verwenden. Die alleinige Zugrundelegung eines Ausdrucksquotienten - in welcher Form dieser auch immer angewandt wird - stellt jedoch einen erheblichen Fortschritt in Richtung auf eine im Vergleich gerechtere Leistungsbewertung im Fremdsprachenbereich dar.

Für die Ermittlung des Ansdrucksquotienten kann - in umgekehrter Anwendung unserer Liste der Fehlerquotienten (vgl. Kap. 7.4.7.1) - die folgende Distribution verwendet werden:


Prädikat

Note

Punkte

Ausdrucksquotient (AQ)
sehr gut
1,0
15
7,51 - ∞
sehr gut -
1,3
14
5,01 – 7.50
gut +
1,7
13
4,41 – 5,00
gut
2,0
12
4,01 – 4,40
gut -
2,3
11
3,61 – 4,00
befriedigend +
2,7
10
3,21 – 3,60
befriedigend
3,0
9
2,81 – 3,20
befriedigend -
3,3
8
2,41 – 2,80
ausreichend +
3,7
7
2,01 – 2,40
ausreichend
4,0
6
1,61 – 2,00
ausreichend -
4,3
5
1,41 – 1,60
mangelhaft +
4,7
4
1,21 – 1,40
mangelhaft
5,0
3
1,01 – 1,20
ungenügend +
5,7
2
0,51 – 1,00
ungenügend
6,0
1
0,00 – 0,50

Abb. 91: Ausdrucksquotienten

Hat ein Prüfling beispielsweise einen Ausdrucksquotienten (AQ) von 4,20 erreicht, so erhält er für diese Leistung die Note gut (2,0). Diese entspricht 25 % der ermittelten Gesamtnote.


7.4.7.3 Bewertungsbeispiel

Im Anschluss an diese Überlegungen erscheint es zum Zwecke einer besseren Nachvollziehbarkeit notwendig, ein konkretes Bewertungsbeispiel - einschließlich seiner rechnerischen Ermittlung - zu geben. Da es in der vorliegenden Monographie unmöglich ist, mit unterschiedlichen Farben zu arbeiten, markieren wir sprachliche Fehler durch Unterstreichung und positiv sanktionierte Ausdrücke durch Kursivdruck. Als Beispiel legen wir einen freien englischen Text zugrunde, der einer realen Prüfung entnommen ist und im Folgenden in anonymisierter Form zitiert wird; die jeweilige Bewertung ist am Rand vermerkt:


Beispieltext

How to Conduct Market Research

Market research is used by firms to find out something about their customers.

Market research is divided in two types: primary and secondary market research. If a firm make special surveys about a theme than it's called primary market research because the information is collected for this specific reason. If a firm uses information which is still existing because of an other poll than it's called secondary market research.

Often firms use other firms which are specialised on market research to manage and carry out the surveys. The results of market research help the firms by selling their products, because they now know their customers very well. The firm knows their behaviour, their opinion towards the product, their wishes and a lot of other information. These information can be used to make the commodities better and to make the marketing more effective. Customers will be more confident of the
product if it is build after their wishes.

Market research helps to sell more commodities and so it helps to raise a companys success.

Korrekturvermerke[24]







AV½             AV½           

Acc1             Wf½             
R½ 
AV1              Ww1[25]       
Wf½              R¼           R (s.o.)



Pr1             AV1        
Det1
K1             
Ww1
AV½          
Ww1
Acc1           
Det1          AV1            
Det1          AV1            
Pr1 
F½             Acc1





Abb. 92: Bewertungsbeispiel

Die Leistung im Rahmen des Bewertungskriteriums Ausdrucksvermögen ergibt sich auf der Basis der positiv sanktionierten Ausdrücke, die hier beispielsweise für die Verwendung treffender (Fach)Begriffe (primary / secondary researchcommodities), für diejenige textverknüpfender Elemente (for this specific reason) und die korrekte Verwendung schriftsprachlich relevanter Konstruktionen (to manage research) stehen.

Die Leistung innerhalb des Bewertungskriteriums Inhaltliche Gestaltung basiert im Wesentlichen auf der strukturellen Gegliedertheit des Textes und der Stärke und Relevanz der angeführten Beispiele.

Aus dieser Korrektur resultieren rechnerisch die folgenden Zahlen:



Bewertungskriterium

Berechnung der Zahlenwerte


Ermittelter Quotient

Teilnoten[26](Punkte in Klammern)[27]


Sprachliche Richtigkeit (40 %)

Anzahl der Wörter: 173

Fehlerzahl (FZ): 12,5


Fehlerquotient (FQ): 
FZ x 100
Wortzahl
FQ also: 7,23

6,0 (1 Punkt)

Orthographie (10 %)

Anzahl der Fehler: 1,25


Fehlerquotient (FQ): 0,72

1,0 (15 Punkte)

Ausdrucksvermögen  
         (25 %)

Anzahl guter Ausdrücke (AgA): 5,5

Ausdruckquotient (AQ):
AgA  x 100
Wortzahl
AQ also: 3,18


3,0 (9 Punkte)

Inhaltliche Gestaltung
        (25 %)


- - -

- - -

2,0 (12 Punkte)

Gesamtnote
      (100 % )




3,7 (ausreichend +)
(7 Punkte; rechnerisch: 7,15)

Abb. 93: Beispielrechnung 1

Es ergibt sich hier eine ausgewogene Bewertung, die als mehr oder minder gerecht bezeichnet werden kann: Obwohl die Note für die Kategorie Sprachliche Korrektheit ein Ungenügend ist, erzielt der Prüfling die Gesamtnote ausreichend (+) (3,7). Diese basiert auf seiner sehr guten Orthographieleistung (Note 1,0), seiner guten Leistung in dem Bewertungskriterium Inhaltliche Gestaltung (Note 2,0) und seiner für das Kriterium Ausdrucksvermögen erzielten Note (3,0).

Vergleichen wir nun die von uns vorgeschlagene Berechnungsmethode, in der das Bewertungskriterium Orthographie separat angelegt und mit einem Umfang von 10 % der Gesamtnote festgesetzt worden ist, mit der Integration dieses Kriteriums in das Bewertungskriterium Sprachliche Korrektheit und eine Erweiterung dieser auf 50 %, so ergibt sich folgendes Bild:

Bewertungskriterium
Berechnung der sich ergebenden Zahlenwerte
Ermittelter Quotient
Teilnoten[28](Punkte in Klammern) und Gesamtnote[29]
Sprachliche Richtigkeit (50 %)
Anzahl der Wörter: 173
Anzahl der Fehler: 13,75
Fehlerquotient (FQ): Fehlerzahl x 100
Wortzahl
FQ also: 7,95
6,0 (1 Punkt))
Ausdrucksvermögen (25 %)
Anzahl der positiven Ausdrücke: 5,5
Ausdruckquotient (AQ): 3,18
3,0 (9 Punkte)
Inhaltliche Gestaltung (25 %)
- - -
- - -
2,0 (12 Punkte)

Gesamtnote




4,0 (ausreichend+
(6 Punkte; rechnerisch: 5,75)


                                             Abb. 94: Beispielrechnung 2

Die von uns vorgeschlagene Berechnungsmethode wirkt sich somit in einem Umfang von einem Notenschritt zugunsten des Prüflings aus (3,7 im Vergleich zu 4,0 bei einer Integration der Orthographie in das Bewertungskriterium Sprachliche Korrektheit) - und dies, obwohl diese Integration an der Note für das Kriterium Sprachliche Korrektheit nichts geändert hat, da diese ohnehin sehr schlecht war. Allein die separate Veranschlagung der Orthographieleistung mit 10 % der Gesamtnote bewirkt diesen positiven Effekt.

Zum Abschluss dieser rechnerisch ausgerichteten Betrachtungen sei ein weiteres Beispiel[30] angeführt, in dem von einem Prüfling mit bilingualem Hintergrund in Deutsch und Französisch ausgegangen wird, der eine sehr gute Kenntnis seiner zweiten Muttersprache Französisch aufweist, in dieser jedoch sehr viele Orthographiefehler macht - eine, wie bereits erwähnt, nicht selten anzutreffende Konstellation[31]. Wird die Orthographie dabei in das Kriterium Sprachliche Korrektheit integriert, so ergeben sich die folgenden Verhältnisse:

Bewertungskategorie

Berechnung der sich ergebenden Zahlenwerte
Ermittelter Quotient
Teilnoten[32](Punkte in Klammern) und Gesamtnote[33]
Sprachliche Richtigkeit (50 %)
Anzahl der Wörter: 305
Anzahl der Fehler: 9,75
Fehlerquotient (FQ): Fehlerzahl x 100
Wortzahl
FQ also: 3,20
2,7 (10)
Ausdrucksvermögen (25 %)
Anzahl der positiven Ausdrücke: 24,0
Ausdruckquotient (AQ): 7,87
1 (15)
Inhaltliche Gestaltung (25 %)
- - -
- - -
1,7 (13)

Gesamtnote



(12)



Abb. 95: Beispielrechnung 3

Bei separatem Ansatz des Bewertungskriteriums Orthographie ergibt sich:

Bewertungskategorie
Berechnung der sich ergebenden Zahlenwerte
Ermittelter Quotient
Teilnoten[34](Punkte in Klammern) und Gesamtnote[35]
Sprachliche Richtigkeit (40 %)
Anzahl der Wörter: 305
Anzahl der Fehler: 3,5
Fehlerquotient (FQ): Fehlerzahl x 100
Wortzahl
FQ also: 1,15
1 (15)
Orthographie (10 %)
Anzahl der Fehler: 6,25
Fehlerquotient (FQ): 2,05
2 (12)
Ausdrucksvermögen (25 %)
Anzahl der positiven Ausdrücke: 24,0
Ausdruckquotient (AQ): 7,87

1 (15)
Inhaltliche Gestaltung (25 %)
- - -
- - -
1,7 (13)

Gesamtnote




1,3 (14; rechnerisch:    14,2)


Abb: 94: Beispielrechnung 4

Dies bedeutet, dass sich durch die Trennung des Bewertungskriteriums Orthographie von demjenigen der Sprachlichen Korrektheit eine Veränderung von zwei Notenschritten - von 1,3 zu 2,0 - zugunsten des Prüflings ergibt.  Seine Gesamtnote wird hier somit weniger stark durch seine schlechte Orthographie affiziert, und dadurch ergibt sich ein weitaus realistischeres Bild seines allgemeinen Leistungsvermögens in der betreffenden Sprache. In diesem Resultat liegt also ein weiteres Argument für die von uns vorgeschlagene Berechnungsmethode.

Der Gesamteindruck, der sich hier ergibt, und der auf eine aufwendige Bewertung verweist, entspricht der Realität. Es wird jedoch auch deutlich, dass wir es hier mit einem Bewertungsverfahren zu tun haben, das auf der Basis fundierter Überlegung entwickelt ist und somit eine Leistungsermittlung gestattet, die das exakte Gegenteil eines - unbedingt zu vermeidenden - ad hoc-Verfahrens darstellt. Der höhere Aufwand, der mit diesem Verfahren verbunden ist, ist gleichsam der Preis, der für eine ungleich höhere Bewertungsqualität zu zahlen ist. Es sei daher hier an Prüfer appelliert, ihre Arbeit der Fehlerbewertung so gewissenhaft und minutiös wie möglich durchzuführen: Nur wenn sie sich dieser Mühe unterziehen, werden sie letztlich in der Lage sein, ihren Prüflingen eine faire und angemessene Bewertung zukommen zu lassen.

Im Anschluss kommen wir nun in folgerichtiger Weiterentwicklung unserer Reflexionen zu denjenigen Gesichtspunkten, die die Prüfungsdidaktik in empirischer Hinsicht voranbringen und zudem Prüfungen im Bereich der modernen Fremdsprachen, und nicht nur dort, zu verbessern helfen werden - den in diesem Zusammenhang relevanten Forschungsdesiderata in exemplarischer Darstellung.
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[14] Vgl. hinsichtlich der Wirkungen von Rückmeldungen zu schriftlich gemachten Fehlern allgemein ergänzend auch Ferris (2006) und für einen allgemeinen Überblick Hyland / Hyland (2006: 83ff).
[15] Die vorliegende Liste ist nicht im Hinblick auf Vollständigkeit konzipiert und mag ggf. ergänzt werden.
[16] Dabei wählen wir hier und in den folgenden Übersichten bewusst einfache Beispiele, um den Blick auf die jeweils relevante Problematik nicht zu verstellen.
[17] Diese Feststellung gilt in Abstufungen, wobei Präpositionen in der hier vorliegenden Sprachkonstellation im Englischen wohl am schwierigsten korrekt zu verwenden sein dürften.
[18] Um in dieser Zusammenschau den Begriff nicht in drei Sprachen aufführen zu müssen (vgl. engl. subjunctive, fr. subjonctif, sp. subjuntivo), wählen wir hier den lateinischen Begriff Subjunktiv.
[19] Im gesprochenen Französisch ist dieser Satztyp nicht unüblich und kann dort daher nicht als fehlerhaft gewertet werden. In der schriftsprachlichen Norm, um die es ja im vorliegenden Zusammenhang geht, ist er jedoch fehlerhaft.
[20] Für das Französische und das Spanische können hier exemplarisch zusätzlich auch die jeweils zweiten Beispiele in Kap. 7.3.3.5  angeführt werden.
[21] In fachsprachlicher Verwendung kann im Unterschied zum Gebrauch der Gemeinsprache dagegen von der Notwendigkeit ausgegangen werden, Fachbegriffe, die ja für entsprechende Konzepte stehen, identisch zu wiederholen und auf diese Weise der dort geforderten Exaktheit Rechnung zu tragen. Fachsprachen zeichnen sich somit im Allgemeinen durch eine niedrige type-token ratio aus.
[22] Auch im Rahmen dieser Übersicht ist es nicht möglich, alle im Text dargestellten Nuancen abzubilden.
[23] Vgl. zu grundsätzlichen Aspekten der Problematik von Fehlerquotienten auch Drexel-Andrieu / Kahl 1991: 689ff.
[24] Wir folgen hier den in Kap. 7.3.3. verwendeten Abkürzungen für die folgenden Bereiche: Acc (Accord), Det (Determinanten, z.B. Artikel, Demonstrativ- oder Possessivbegleiter), F (Form - morphologischer Fehler), Pr (Präposition), K (Konstruktion), R (Rechtschreibung, hier der Abkürzung O(rthographie) vorgezogen, damit dieser Buchstabe nicht fälschlicherweise mit der Zahl Null verwechselt werden kann), Wf (Wortfehler) und Ww (Wortwahl). Die Abkürzung AV steht für Ausdrucksvermögen und stellt eine Positivkorrektur dar.  Die positiv sanktionierten Passagen im zitierten Prüfungstext sind durch Fettdruck hervorgehoben.
(Leider ist es unmöglich, in der Blog-Version die Zuordnung der Fehler zu ihrer jeweiligen Bewertung zuverlässig abzubilden. Wir verweisen daher für die korrekte Abbildung auf die Print-Edition.)
[25] In dem vorliegenden Kontext kann nur already – nicht still - gemeint sein, ansonsten gibt die gesamte Aussage keinen Sinn. Aus diesem Grunde wird dieser Fehler als ganzer (Fehlerpunkt 1,0) gewertet.
[26] Wir beziehen uns hier auf unsere Übersicht zum Fehlerquotienten in Kap. 7.3.7.1. Für die Notenberechnung legen wir hier eine 15-Skala ohne die Note 1+ zugrunde.
[27] Die Noten werden hier der Übersichtlichkeit halber in Dezimalform (z.B. 3,3) notiert. Um die Gewichtung vorzunehmen, muss der jeweilige Punktwert der Note (für eine 3,7 also der Wert 7) mit dem jeweiligen Prozentwert der jeweiligen Bewertungskategorie multipliziert werden. Auf das Beispiel bezogen, ergibt dies für das Ausdrucksvermögen die Rechnung: 7 x 25 % = 1,75 Punkte.
[28] Wir beziehen uns hier auf unsere Übersicht zum Fehlerquotienten in Kap. 7.2.2.6. Für die Notenberechnung legen wir hier eine 15-Punkte-Skala ohne die Note 1+ zugrunde.
[29] Die Noten werden hier der Übersichtlichkeit halber nicht in Dezimalform (z.B. 3,3), sondern traditionell mit Plus- und Minuszeichen (z.B. 3-) notiert. Um die Gewichtung vorzunehmen, muss der jelweilige Punktwert der Note (für eine 3- also der Wert 8) mit dem jeweiligen Prozentwert der jeweiligen Bewertungskategorie multipliziert werden. Auf das Beispiel bezogen, ergibt dies für das Ausdrucksvermögen die Rechnung: 8 x 25 % = 2 Punkte.
[30] Wie beschränken uns hier auf die Berechnungen und verzichten auf die Zitierung des Textbeispiels, da dieses den Fortgang unserer Reflexionen nicht weiter erhellen würde, als dies durch das oben zitierte Beispiel bereits geschehen ist.
[31] Eine solche Konstellation, in der (Quasi)Muttersprachler Prüfungen in eben dieser Sprache ablegen müssen, ist gegenwärtig keineswegs unrealistisch: An Schule und Hochschule geht - um bei unserem Beispiel zu bleiben - das Vorhandensein eines französischen Elternteils im Allgemeinen nicht mit einer Anerkennung sämtlicher, an dieser Institution zu erbringenden sprachlichen Leistungen einher, so dass diese Schüler oder Studierenden genauso an den Sprachprüfungen teilnehmen müssen, wie ihre monolingual aufgewachsenen Mitschüler bzw. Mitstudierenden. Es steht zudem zu erwarten, dass sich solche Konstellationen angesichts des zusammenwachsenden Europa bzw. der zusammenwachsenden Welt in Zukunft noch häufiger ergeben werden, als es heutzutage der Fall ist. Auf eine solche Situation muss die Prüfungsdidaktik in den Fremdsprachen reagieren können. Ein griffiger Ansatz ist in diesem Zusammenhang durch unsere hier exemplifizierte Berechnungsmethode vorhanden.
[32] Wir beziehen uns hier auf unsere Übersicht zum Fehlerquotienten in Kap. 7.3.7.1.. Für die Notenberechnung legen wir hier eine 15-Skala ohne die Note 1+ zugrunde.
[33] Um die Gewichtung vorzunehmen, muss der jeweilige Punktwert der Note (für eine 3,3 also der Wert 8) mit dem jeweiligen Prozentwert des jeweiligen Bewertungskriteriums multipli-ziert werden. Auf das Beispiel bezogen, ergibt dies für das Ausdrucksvermögen die Rechnung: 8 x 25 % = 2 Punkte.
[34] Wir beziehen uns hier auf unsere Übersicht zum Fehlerquotienten in Kap. 7.2.2.6.
Für die Notenberechnung legen wir hier eine 15-Skala ohne die Note 1+ zugrunde.
[35] Um die Gewichtung vorzunehmen, muss der jeweilige Punktwert der Note (für eine 3,3 also der Wert 8) mit dem jeweiligen Prozentwert des jeweiligen Bewertungskriteriums multipliziert werden. Auf das Beispiel bezogen, ergibt dies für das Ausdruckvermögen die Rechnung: 8 x 25 % = 2 Punkte.