3. Wissenschaftliche Prüferbefragung zur Durchführung hochschulischer Prüfungen im Bereich der modernen Fremdsprachen

3.1 Beschreibung des Fragebogens

Bei der hier zunächst notwendigen Beschreibung des Fragebogens wollen wir uns auf die für das weitere Verständnis der gewählten Stoßrichtung notwendigen Gesichtspunkte beschränken. Zuerst werden wir uns dabei mit den grundlegenden Gesichtspunkten des Fragebogens beschäftigen.


3.1.1 Grundlegende Gesichtspunkte

3.1.1.1 Allgemeine Bemerkungen

Im Folgenden werden die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Befragung vorgestellt, die sich an Prüfer und Prüferinnen an deutschen Hochschulen richtet. Diese Fragebogenaktion ist Teil einer umfangreichen Pilotstudie, deren Ergebnisse in Kürze in einer separaten Monographie publiziert werden: Eine komplette Präsentation ihrer an dieser Stelle würde nicht nur den Rahmen der vorliegenden Monographie sprengen, sie würde auch ihr strukturelles Gleichgewicht stören.

Ziel der Befragung ist es herauszufinden, welche Einstellungen Prüfer zu den von ihnen durchgeführten Prüfungen haben, und Einsichten zu vermitteln in die Art und Weise, in der Prüfungen gehandhabt werden. Dabei werden wichtige, hochschulische Prüfungen betreffende Gesichtspunkte berücksichtigt.

In dem hier relevanten Kontext gehen wir von der folgenden Arbeitshypothese aus:
An deutschen Hochschulen und Universitäten durchgeführte Prüfungen bieten in Planung, Organisation und Durchführung aufgrund der existierenden Rahmenbedingungen Raum für Verbesserungen; die Einstellungen von Prüfern und Prüferinnen entsprechen nicht in allen Fällen dem Standard, der eine prüfungsdidaktisch adäquate Durchführung von Prüfungen ermöglichen würde. Die Bedeutung des Faches Prüfungsdidaktik wird jedoch von Prüfern und Prüferinnen im Allgemeinen gesehen. Die fortgesetzte Etablierung dieses Faches stellt daher eine dringende Notwendigkeit dar.
Diese Arbeitshypothese ist bewusst nicht ausschließlich negativ formuliert; ihre negativen Anteile werden hier absichtlich sehr vorsichtig ausgedrückt. Uns geht es hier nicht darum, Prüfer und Prüferinnen zu kritisieren und gleichsam belehrend aufzutreten. Uns geht es hier vielmehr darum, einen Beitrag zur Verbesserung der existierenden Prüfungspraxis zu leisten und an der Hochschule geplante und durchgeführte Prüfungen einem (noch) höheren Qualitätsstandard zuzuführen.

Von Bedeutung ist hier, dass in der vorliegenden Monographie allgemeine Aussagen zu Prüfungen im Fremdsprachenbereich insgesamt erarbeitet werden sollen. Eine differenziertere Sicht der Dinge hat keinen Platz in dieser allgemeinen Arbeit zur Prüfungsdidaktik, sondern muss einer separaten Publikation vorbehalten bleiben. Der Grund hierfür liegt darin, dass spezifischere Aussagen über das Interesse und die Ausrichtung dieser Publikation hinausgehen würden. Aus diesem Grunde werden hier auch nur die Gesamtergebnisse unseres, für Prüfer konzipierten Fragebogens vorgestellt. Weitere Differenzierungen werden hier bewusst außer Acht gelassen. Das letztendliche Ziel der Befragung im Hinblick auf die hier dargestellten Gesamtergebnisse besteht darin, die Notwendigkeit des Faches Prüfungsdidaktik zu ermitteln.

Das Vehikel dieser Untersuchung war ein Online-Fragebogen, der insgesamt 54 Fragen enthielt, von denen die meisten nicht nur durch Ankreuzung zu beantworten waren, sondern den Befragten zudem die Möglichkeit eröffneten, einen eigenen Kommentar abzugeben. Der ursprüngliche Fragebogen war konzeptionell somit hinreichend umfassend, um die wichtigsten, im Rahmen unserer Untersuchung relevanten Fragestellungen abzudecken. Die vollständige Untersuchung wird - wie erwähnt - zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle veröffentlicht werden. Im vorliegenden Zusammenhang seien lediglich die grundlegenden, für das Fach Prüfungsdidaktik gesamthaft relevanten Ergebnisse dargestellt und somit einige wenige Fragen behandelt, die aus dem Gesamtfragebogen herausgegriffen werden und ein Licht auf die von den Befragten eingeschätzte Bedeutung von Prüfungen wie auch die Prüfungsdidaktik als Fach werfen.

Eine wesentliche Fragestellung ist diejenige, in welchem Maße Prüfungen im Bewusstsein von Prüfern implementiert sind. Schätzen Prüfer die Bedeutung von Prüfungen realistisch ein - also als für Studierende mehr oder minder existentiellen Bestandteil ihres Hochschulstudiums -, oder stellen Prüfungen für Prüfer nichts anderes als einen notwendigen, unabänderlichen, aber mehr oder minder lästigen Bestandteil ihres Berufslebens dar? Prüfen Prüfer somit nur aus dem Grunde, weil sie prüfen müssen, oder setzen sie die Bedeutung, die Prüfungen für Studierende haben, in ihre eigene Prüfungspraxis um? Die hier formulierten Fragen zielen darauf ab zu erfahren, ob Prüfungen von Prüfern hinreichend ernst genommen werden. Es soll somit nicht zuletzt versucht werden, Einstellungen von Prüfern zu Prüfungen herauszuarbeiten und auf diese Weise zu Erkenntnissen zu gelangen, die Rückschlüsse darüber ermöglichen, ob mehrheitlich auf adäquate Art und Weise geprüft wird oder ob hier Verbesserungen - und wenn, ja welche - zum Zwecke einer qualitativ höherstehenden Prüfungspraxis greifen könnten.

Im Folgenden werden wir kurz darauf eingehen, an welche Adressaten der Fragebogen versandt wurde.


3.1.1.2 Adressaten

Unser Fragebogen wurde technisch mit Hilfe der Website my 3q[1] erstellt und stand den Teilnehmern online zur Verfügung. Der Link wurde - als Teil eines ausführlichen Anschreibens - persönlich an die nachstehend aufgeführten Adressatengruppen mit der Bitte geschickt, ihn auszufüllen und gegebenenfalls an geeignete Personen weiterzuleiten:
  • Lehrende an Englischen Seminaren deutscher Hochschulen,
  • Lehrende an Romanischen Seminaren deutscher Hochschulen,
  • Lehrende an Sprachenzentren deutscher Hochschulen.
Auf diese Weise haben wir versucht, die wichtigsten in Deutschland gelehrten und studierten Fremdsprachen abzudecken. Der Fragebogen wurde sowohl an Professoren und Professorinnen wie auch an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verschickt.

Die Kontaktierung der erwähnten Sprachenzentren erfolgte, um auf diese Weise den Bereich der Sprachpraxis für Hörer aller Fachbereiche abzudecken - im Unterschied und in Ergänzung zu demjenigen der Sprachpraxis an den philologischen Seminaren, die sich an Studierende der jeweiligen Fremdsprache(n) richten. Angeschrieben wurden dabei diejenigen Sprachenzentren, die dem AKS (Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute) angeschlossen sind.


3.1.2 Allgemeine Angaben

Vor der Analyse der erhobenen Daten ist es notwendig, unseren Fragebogen kurz zu beschreiben[2]. Der ursprüngliche Fragebogen umfasst insgesamt 54 Fragen. Er ist zunächst untergliedert in einen allgemeinen Teil (Fragen 1 - 4), in dem Informationen zu den Befragten selbst erhoben werden und auf generelle Prüfungsgesichtspunkte aus der Perspektive der Befragten Bezug genommen wird (Fragen 5 - 12). Im Anschluss werden mündliche Prüfungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt (Fragen 13 - 30). Daran anschließend werden Informationen zu verschiedenen Aspekten von Klausuren erhoben (Fragen 31 - 46) und abschließend Fragen zu wissenschaftlichen Hausarbeiten (Fragen 47 - 54).

Aus dem Fragebogen werden im Folgenden einige wenige Fragen herausgegriffen. Aus diesen ist jedoch der Gesamtfragebogen mitsamt seiner Planung und der ihm unterliegenden Methodik naturgemäß nicht ersichtlich, was an dieser Stelle leider unvermeidlich ist. Fragebogenplanung und -methodik werden jedoch in der geplanten Publikation der Gesamtergebnisse vorgenommen.

Die ersten vier Fragen erheben allgemeine Informationen zu den Befragten, wobei Frage 1 sich auf deren Geschlecht bezieht.

Frage 2 erfasst die Anzahl der Dienstjahre der Befragten und dient der Ermittlung ihres Erfahrungshorizontes, der wiederum auf ihren Professionalitätsgrad schließen lässt.

Frage 3 erhebt den Rang der Befragten in der deutschen Hochschulhierarchie. Diese Frage stützt die vorhergehende, die quantitativ ausgerichtet ist, in qualitativer Hinsicht.

Frage 4 bezieht sich auf Hochschuleinrichtung, an der der jeweilige Befragte tätig ist. Diese Frage ermöglicht die Vornahme der für den Fragebogen grundlegenden Unterscheidung zwischen einer Prüfungstätigkeit an philologischen Seminaren einerseits und an Sprachenzentren andererseits.

Mit Frage 5 wird der zweite Teil des Fragebogens zu allgemeinen Gesichtspunkten von Prüfungen eingeleitet. Sie erhebt Informationen zu der Anzahl der Prüflinge eines Prüfers pro Semester und erlaubt zum einen Rückschlüsse auf die quantitative Wichtigkeit von Prüfungen im Rahmen der Hochschultätigkeit des betreffenden Befragten und zum anderen Rückschlüsse auf dessen Prüfungsroutine. Darüber hinaus lässt sich anhand dieser Frage ablesen, unter welchem Prüfungsdruck der jeweilige Dozent gegebenenfalls steht.

Frage 6 ist im Kanon der hier zu ermittelnden Informationen obligatorisch und zielt ab auf eine Eingrenzung der jeweiligen Sprache, in der geprüft wird, und gestattet somit die Vervollständigung des inhaltlichen Tätigkeitsbereiches des jeweiligen Befragten.

Frage 7 erfasst das Teilfach (Linguistik, Literaturwissenschaft, Fachdidaktik, Landeswissenschaft oder Sprachpraxis), in dem der jeweilige Befragte arbeitet. Sie ermöglicht zum einen eine Trennung dieser Teilfächer voneinander und zum anderen - in Komplementarität zu Frage 4 - eine Trennung zwischen den fremdsprachlichen Philologien einerseits und der Sprachpraxis andererseits, wobei letztere sich sowohl auf die Arbeit an einem philologischen Seminar als auch auf diejenige an einem Sprachenzentrum beziehen kann.

Frage 8 erhebt den oder die Prüfungstypen, in dem bzw. denen der jeweilige Prüfer tätig ist. Auch diese Frage steht für eine Trennung zwischen philologischer und sprachpraktischer Ausbildung, die hier durch UNIcert® vertreten ist, sie hebt jedoch zugleich auf denjenigen Bereich ab, in dem die Befragten vordringlich prüfen und in dem sie folglich am besten orientiert sind bzw. am ehesten Expertenwissen erworben haben können. Frage 8 stellt hinsichtlich der Trennung philologischer und nicht-philologischer Prüfungen gleichzeitig eine Kontrollfrage zu den Fragen 4 und 7 dar.

Frage 9 ist die erste derjenigen Fragen, mit denen die persönliche Einstellung der Befragten zu Prüfungen untersucht wird. Die Erhebung von Informationen über diese affektive Komponente ist für den vorliegenden Fragebogen von erheblicher Bedeutung, da sie eine im gegebenen Kontext hochrelevante Dimension darstellt. Zu beachten ist hier, dass an dieser Stelle lediglich auf die Einstellung zu Prüfungen allgemein abgehoben wird. Eine Spezifizierung von Prüfungen wird dagegen hier noch nicht vorgenommen.

In folgerichtiger Weiterentwicklung der bis hier ermittelten Gesichtspunkte wird in Frage 10 die Bedeutung der Institution Prüfung ermittelt. Diese Frage erlaubt indirekte Rückschlüsse auf das Verhalten von Prüfern: Nehmen sie Prüfungen als nicht wichtig wahr, werden sie ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger Aufmerksamkeit schenken und ihnen entsprechend weniger Zeit und Vorbereitung widmen als es der Fall ist, wenn sie Prüfungen für wichtig erachten.

Frage 11 geht einen Schritt weiter und erhebt den Wunsch der Befragten, mehr, genauso viel oder weniger zu prüfen, wenn sie selbst darüber entscheiden könnten. Diese Frage ist somit indirekt ebenfalls affektiv ausgerichtet und in Komplementarität zu der vorhergehenden Frage zu sehen. Frage 11 stellt somit eine Kontrollfrage sowohl zu Frage 9 als auch zu Frage 10 dar. 

Frage 12 beschließt den allgemeinen Teil des Fragebogens und ermittelt die Bedeutung der Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik, die in Tinnefeld (2002) postuliert worden ist. Diese Frage hebt zum einen ab auf die Dringlichkeit der Anstrengungen, die in Zukunft im Hinblick auf die weitere Etablierung dieses Faches betrieben werden müssen. Die Frage verharrt jedoch nicht auf diesem Niveau, sondern gibt zum anderen auch Auskunft über den persönlichen Reflexionsstatus der einzelnen Befragten: Erachten sie Prüfungen als wichtig und haben sie ihre Bedeutung erkannt, so werden sie mit Sicherheit die frühere Nichtexistenz des Faches Prüfungsdidaktik als Manko empfinden und seine Schaffung als wichtig einstufen. Diskrepanzen innerhalb dieses Fragenkomplexes lassen somit nicht zuletzt Rückschlüsse auf die Art der Hinterfragung der Prüfungstätigkeit der einzelnen Befragten zu. Zusätzlich zu diesen Aspekten dient diese Frage auch als Kontrollfrage zu Frage 9.

Frage 18 präzisiert und konkretisiert die potentiell positive Einstellung der Prüfer zu mündlichen Prüfungen, indem verschiedene relevante Teilaspekte dieser zur Wahl gestellt werden. Um den Befragten die Möglichkeit der eigenen Präzisierung zu geben, wird ein Ergänzungsfeld für eigene Formulierungen angeboten. Dadurch kann die Frage von den Antwortenden auch in eine negative Dimension transferiert werden - für den Fall, dass mündliche Prüfungen diesen keine Freude bereiten. Dies bedeutet, dass in der Frage nicht bereits die möglichen Antworten präjudiziert werden, sondern dass auch ein Null-Ergebnis oder ein negatives Ergebnis - „die Prüfungen bereiten mir keinerlei Freude“ - ausgedrückt werden kann. Dieser Aspekt ist fragebogentechnisch von Bedeutung, da durch seine Berücksichtigung die mögliche Beeinflussung der Befragten durch zu enge Vorgaben vermieden wird. Zudem können in der Rubrik Andere Angaben auch weitere Quellen der positiven Einstellung zu mündlichen Prüfungen verbalisiert werden - auch dies ein Gesichtspunkt, der die prinzipielle Offenheit der Fragestellung unterstreicht und die vorliegende Frage zu einer der wichtigsten des Fragebogens werden lässt.

In Frage 45 wird die affektive Haltung der Prüfer hinsichtlich des Prüfungstyps Klausur erhoben. Mit Hilfe dieser Frage sollen unterschiedliche Gesichtspunkte beleuchtet werden. So soll auf der einen Seite ermittelt werden, ob Prüfer aus den Klausuren ihrer Prüflinge eine gewisse Selbstbestätigung ableiten (vgl. Antwortalternativen A und B). Des Weiteren soll herausgefunden werden, ob Prüfer die Klausuren in der Weise nutzen, guten Studierenden die Möglichkeit der Profilierung zu geben (vgl. C). Wenn guten Prüflingen die Möglichkeit gegeben wird, sich zu profilieren, so bedeutet dies nichts Anderes, als dass diese von ihren Prüfern in besonderer Weise gefördert werden. Antwortalternative D in Frage 45 ist auf die potentielle Freude bezogen, die Prüfer in der Bewertung ihrer Prüflinge empfinden. Antwortalternative E ist bewusst ambig gehalten: Die mögliche Nutzung von Klausuren „zu pädagogischen Zwecken“ mag einerseits prüflingsfördernder Weise verstanden werden; sie kann jedoch auch - im Sinne von „disziplinarischen“ Maßnahmen - in der Weise interpretiert werden, dass Klausuren dazu verwendet werden, Notendruck auf die Prüflinge auszuüben. Diese Antwortalternative konnte leider nicht eindeutig formuliert werden, da diese letzte Implikation mit großer Wahrscheinlichkeit von den Befragten ohnehin nicht „ehrlich“ beantwortet worden wäre: Welcher Prüfer würde zugeben, dass er die Festsetzung von Noten in einer solchen, repressiven Art und Weise nutzen würde?! Eine Disambiguierung dieser Antwortalternative wird - bei entsprechenden Antwortkonstellationen - gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Fragen möglich, jedoch ausschließlich in der Sichtung der individuellen Ergebnisse der Befragten - eine Perspektive, die jedoch in der vorliegenden Arbeit ausgeblendet wird. Auch bei dieser Frage sind Mehrfachnennungen möglich, so dass potentielle Tendenzen der Beantwortung aus solchen Mehrfachnennungen heraus zu interpretieren sind. Ebenso besteht die Möglichkeit der Formulierung persönlicher Zusätze, die angesichts der erheblichen Band-breite dieser Frage dringend vonnöten ist.  

Frage 53 ist mit Blick auf die vorgegebenen Antwortalternativen in identischer Formulierung zu den Fragen 18 und 45 gestaltet. Auf diese Weise ist es möglich, diese drei Fragen in direkter Linie miteinander zu vergleichen. Grundvoraussetzung für diese identische Formulierung ist das Faktum, dass die hier evozierten Einstellungen auf alle drei Prüfungstypen angewandt werden können. Aufgrund dieses Teils der Fragebogenkonzeption sind interessante Ergebnisse hinsichtlich der affektiven Einstellung der Prüfer zu erwarten.


3.2. Auswertung des Fragebogens

3.2.1 Vorbemerkungen

An dieser Stelle sei zunächst allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen an dieser Befragung nachdrücklich gedankt.

Der erste Gesichtspunkt, der der vorliegenden Auswertung zugrunde liegt, bezieht sich auf die Befragten selbst.


3.2.2 Population

Die Population der befragten Prüfer an deutschen Hochschulen teilt sich nach deren Geschlecht wie folgt auf:
                         Abb. 35: Geschlecht der Prüfer


Diese Werte[3] besagen, dass die Anzahl der an der Fragebogenaktion teilnehmenden Prüferinnen etwa doppelt so hoch ist wie diejenige der teilnehmenden Prüfer. Dies bedeutet, dass der Einfluss der Frauen auf die hier ermittelten Ergebnisse in etwa doppelt so hoch ist wie der Einfluss der Männer. Diese Aussage ist zwar nicht weitergehend interpretierbar - und sie wird hier auch nicht weiter interpretiert -, sie mag jedoch in dem einen oder anderen Falle von den Lesern implizit mit in Betracht gezogen werden können.

In Bezug auf die Anzahl der Dienstjahre der befragten Prüfer und Prüferinnen ergeben sich die folgenden Verhältnisse:

                       Abb. 36: Dienstjahre der Prüfer


Über zehn und mehr Dienstjahre verfügt mehr als ein Drittel (35,2 %; vgl. Antwortalternative E) der Befragten. Über mehr als fünf Dienstjahre verfügen mehr als zwei Drittel (fast 67,0 %; vgl. C-E) der befragten Prüfer. Über weniger als zwei Dienstjahre - also über eine recht geringe Erfahrung in Lehre und Prüfung - verfügen lediglich 14.2 der Befragten (vgl. A).

Insgesamt besteht unsere Population somit aus Prüferinnen und Prüfern, die eine erhebliche Berufserfahrung aufzuweisen haben. Die auf der Basis dieser Erfahrung erhobenen Aussagen können somit gesamthaft als zuverlässig klassifiziert werden - ein Ergebnis, das der vorliegenden Befragung Gewicht verleiht.

Mit Blick auf die Position der Befragten im Hierarchiegefüge der deutschen Hochschule kristallisiert sich das folgende Bild heraus:
                     Abb. 37: Dienstrang der Prüfer


Unter den Befragten ist etwas weniger als ein Drittel (32,33 %; vgl. A-C)  Professor oder Professorin, etwas mehr als zwei Drittel (67,4 %; vgl. D-F) dagegen dem akademischen Mittelbau zugehörig. Angesichts der Tatsache, dass die vorliegenden Umfrage nicht nur an philologische Seminare, sondern gerade auch an hochschulische Sprachenzentren gerichtet war und an diesen ja so gut wie keine Professoren arbeiten, ist der Anteil an Professoren und Professorinnen hier als relativ hoch einzuschätzen[4]. Zudem ist das Verhältnis von Lehrstuhlinhabern (C 4 / W 3-Stellen) und C 3 / W 2-Professoren nahezu identisch, wobei der hohe Anteil an Lehrstuhlinhabern sehr positiv zu werten ist: Diese stellen nahezu die Hälfte der in der Umfrage vertretenen Professoren, was auf ihre Aufgeschlossenheit hinsichtlich des Gegenstandes dieser Befragung verweist.

Innerhalb des Mittelbaus sind Lektoren bzw. Lehrkräfte für besondere Aufgaben (vgl. D) einerseits und Wissenschaftliche Mitarbeiter (vgl. F) andererseits mit 26,1 % bzw. 30,6 % in recht ähnlicher Verteilung vertreten, wohingegen Akademische Räte bzw. Studienräte im Hochschuldienst lediglich einen Anteil von 10,7 % ausmachen. Diese quantitativen Verhältnisse spiegeln durchaus die Realität wider, da diese letzte Gruppe institutionell ein Auslaufmodell darstellt. In der Arbeitswirklichkeit sind die Tätigkeitsbereiche aller drei, hier unter dem Begriff Mittelbau subsumierten Dozententypen als durchaus vergleichbar einzustufen.

In Bezug auf die hochschulischen Einrichtungen, an denen die Befragten arbeiten, ergeben sich die folgenden Verhältnisse[5]:
                     Abb. 38: Ort der Beschäftigung


Mit einem Anteil von mehr als zwei Dritteln (69,1 %; vgl. A und B) arbeiten die Befragten an universitären philologischen Seminaren. Am zweithäufigsten sind sie an universitären Sprachenzentren tätig (18,9 %; vgl. C), weit weniger häufig dagegen an Sprachenzentren von Fachhochschulen (8,64 %; vgl. D). Dieser niedrigere Wert verweist auf das Faktum, dass nicht jede Fachhochschule ein Sprachenzentrum aufweist, jedoch die breite Mehrheit der Universitäten über eine solche Einrichtung verfügt. Der Wert von 0,54 %, der für Vertreter von philologischen Seminaren an der Fachhochschule ermittelt werden konnte, kann hier vernachlässigt werden: Er erklärt sich daraus, dass diese Einrichtungen an Fachhochschulen so gut wie inexistent sind.

Im Zusammenhang mit Frage 3 ergibt sich zu Frage 4 hier eine interessante Interpretation: Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass unser Fragebogen in etwa zu gleichen Teilen an philologische Seminare und an Sprachenzentren versendet wurde, entsteht hier der Eindruck, dass solche Prüfer, die an philologischen Seminaren arbeiten, ein größeres Interesse an Prüfungen zu haben scheinen als solche Prüfer, die an Sprachenzentren tätig sind. Dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen; er ist es jedoch weniger, wenn man sich die folgenden beiden Aspekte vergegenwärtigt:
  • Solchen Prüfungen, die an philologischen Seminaren durchgeführt werden, kommt im Allgemeinen mehr berufliche Relevanz für die Studierenden zu als Prüfungen, die an Sprachenzentren abgehalten werden, da an Letzteren vorwiegend Zusatzqualifikationen erworben werden. An philologischen Seminaren hat jeder Prüfer somit ungleich mehr Verantwortung gegenüber seinen Studierenden und - somit auch gegenüber seinen Prüflingen -, als dies an Sprachenzentren gemeinhin der Fall ist;
  • Für Mitarbeiter an Sprachenzentren besteht in aller Regel ein geringerer Bedarf danach, einen persönlichen Zugang zu den eigenen Prüfungen und dem eigenen Prüferverhalten zu finden, als dies an anderen hochschulischen Einrichtungen der Fall ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass dank des UNIcert®-Verbundes - dem viele Sprachenzentren angehören und in dessen Kontext seit vielen Jahren intensive Reflexionen zu den Bereichen Prüfungen und Prüfungsverfahren angestellt werden - bei den an Sprachenzentren tätigen Dozenten zum einen ein höherer Informationsstand über die entsprechenden Zusammenhänge vorausgesetzt werden kann, zum anderen jedoch eine geringere Dringlichkeit zu bestehen scheint, Reflexionen über die eigenen Prüfungen anzustellen, da deren prinzipieller Rahmen ja durch UNIcert® vorgegeben wird.
Die von uns erhobenen Zahlen suggerieren, dass es in Zukunft geraten sein wird, für die an Sprachenzentren tätigen Dozenten - und Prüfer - eine noch höhere Bewusstheit als bisher für die Bedeutung von Prüfungen zu schaffen: Eine Integration in das UNIcert®-Konzept allein kann die individuelle Reflexion des einzelnen Prüfers im Hinblick auf die allgemeinen und speziellen Probleme, die mit Planung und Durchführung von Prüfungen verbunden sind, nicht ersetzen.

In dem nunmehr zu behandelnden Fragenkomplex geht es um Informationen zu allgemeinen Gesichtspunkten von Prüfungen.


3.2.3 Allgemeine Aspekte von Prüfungen

Die erste Frage dieses Themenkomplexes hebt auf die Anzahl der Prüflinge ab, die ein gegebener Prüfer pro Semester hat - unerheblich davon, um welchen Prüfungstyp es sich dabei handelt. Dabei ergaben sich die folgenden Werte:
                      Abb. 39: Anzahl der Prüflinge

27,7 % der Prüfer - also die relative Mehrheit - hat 26 bis 50 Prüflinge pro Semester (vgl. D). Bis zu der doppelten Anzahl an Prüflingen - also zwischen 51 und 100 - haben 24,4 % der Befragten (vgl. E). 20,5 % der Befragten - ein wenig mehr als ein Fünftel - prüfen mehr als 100 Studierende pro Semester (vgl. F). 20,0 % der Befragten, also nahezu ebenso viele, führen mit 11 bis 25 Studierenden Prüfungen durch (vgl. C). Nur 1,66 % der Befragten verfügen über weniger als fünf Prüflinge pro Semester (vgl. A).

Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass 44,9 % der Befragten mit 51 Prüflingen pro Semester einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt sind. Mehr als 100 Prüflinge weisen davon auf einer nach oben offenen Skala 20,5 % der befragten Prüfer auf (vgl. E und F). Der Eindruck einer erheblichen Arbeitsbelastung verstärkt sich noch, wenn man zugrunde legt, dass Prüfer mit einem Prüfling in vielen Fällen ja nicht nur eine Prüfung pro Semester haben, sondern dass dies durchaus mehrere Prüfungen sein können (z.B. eine Klausur und eine mündlichen Prüfung oder eine Bachelor-Arbeit und eine Klausur). Daraus folgt, dass mindestens ein Fünftel - jedoch realistischerweise nahezu zwei Fünftel - der Befragten ein Prüfungsaufkommen zu bewältigen haben, dessen Umfang an einer qualitativ hochstehenden Durchführung Zweifel aufkommen lässt. Zudem scheint eine effiziente Betreuung der Prüflinge angesichts solcher Zahlen kaum möglich. Dass ein solches Ergebnis zu denken gibt, bedarf im Grunde keiner ausdrücklichen Erwähnung.

Eine weitere zentrale Frage betrifft die hauptsächlich geprüfte Sprache: 
           Abb. 40: Geprüfte Sprachen

Als die am häufigsten geprüfte Sprache erweist sich mit 60,4 % das Englische (vgl. A). Dieses Ergebnis spiegelt die Realität der deutschen Hochschullandschaft wie auch den Rang des Englischen als Schulfach wider. In seiner Deutlichkeit ungleich überraschender ist das Ergebnis, nach dem das Französische mit 17,0 % (vgl. B) mit deutlichem Abstand vor dem Spanischen (8,29 %; vgl. C) rangiert. In ähnlicher Weise frappant ist der knappe Unterschied, der zwischen dem Spanischen und dem Italienischen (7,8 %; vgl. D) existiert. In den Werten für diese drei Fremdsprachen findet sich - anders als für das Englische - die hochschulische Realität kaum widergespiegelt. Eine Erklärungsmöglichkeit dieses Ergebnisses liegt jedoch in dem Faktum, dass sowohl an den philologischen Seminaren der Universitäten als  auch  an  hochschulischen  Sprachenzentren  die   Personalstruktur in den vergangenen Jahren nicht an die steigende Beliebtheit des Spanischen angepasst worden ist. Somit stehen für diese Sprache in aller Regel nicht ebenso viele Dozenten zur Verfügung wie für das Französische, was sich in unseren Werten durchaus widerspiegelt.

In Bezug auf die Distribution der befragten Prüfer auf die verschiedenen Teilfächer ergab sich das folgende Bild[6]:
                     Abb. 41: Geprüfte Teilfächer

Mehr als ein Viertel der Befragten (27,9 %; vgl. A.) prüft im Teilfach Linguistik. Ein nahezu ebenso großer Anteil Befragter (25,5 %) prüft in dem Bereich Sprachpraxis (vgl. E). Im Teilfach Literaturwissenschaft prüfen etwas mehr als ein Fünftel der von uns befragten Prüfer (21,8 %; vgl. B). Die Fachdidaktik (11,8 %; vgl. C) und die Landeswissenschaft (9,0 %; vgl. D) stellen mit einem Umfang von etwas mehr bzw. etwas weniger als einem Zehntel der Prüfungen die im Kontext dieser Befragung unwichtigsten Teilfächer dar.

Unterstellt man die traditionell bisweilen angewandte Unterscheidung dieser Teilfächer in wissenschaftliche und sprachpraktische Anteile, weisen die wissenschaftlichen Teilfächer einen Anteil von 70,5 % auf (vgl. A-D); die Sprachpraxis weist einen Anteil von 25,5 % auf (vgl. E). In der vorliegenden Befragung kann somit eine klare Betonung der wissenschaftlichen Teilfächer festgestellt werden. Dieses Ergebnis ist als eine Bestätigung von Frage 4 nach den Instituten, an denen die Befragten beschäftigt sind, zu werten: Auch im Hinblick auf die Institute konnte ein deutliches Übergewicht der Philologien gegenüber den Sprachenzentren festgestellt werden. Somit erweisen sich im Kontext der hier in aller Kürze referierten Untersuchung die Fragen 4 und 7 zuverlässig als gegenseitige Kontrollfragen.  

Dieses Ergebnis bestätigt folgerichtig die im Rahmen von Frage 4 herausgefundene Erkenntnis, nach der Dozenten der traditionellen philologischen Teilfächer ein größeres Interesse an Prüfungen aufzuweisen scheinen als Dozenten, die Sprachpraxisprüfungen abnehmen. Diese Dozentengruppe - so scheint es - hat bisher kein befriedigendes Bewusstsein entwickelt hinsichtlich der permanenten Hinterfragung der eigenen Prüfungen mit dem Ziel von deren stetiger Optimierung: Dozenten, die ihr eigenen Prüfungen reflektieren, nehmen an Befragungen wie der vorliegenden teil[7]. Bei den übrigen Dozenten mag mangelndes Problembewusstsein für deren Nichtteilnahme - zumindest partiell - eine Rolle gespielt haben.

Die für die Fragen 4 und 7 ermittelten Ergebnisse sind sowohl für die vorliegende Erhebung als auch in Bezug auf die Prüfungsrealität weiterhin im Auge zu behalten. Die Distribution der in den philologischen Teilfächern einerseits und im Bereich Sprachpraxis andererseits tätigen Dozenten ist hier zwar nicht weitgehend identisch, was in der vorliegenden Untersuchung auch keineswegs angestrebt wird[8]. Für uns von Bedeutung ist jedoch die eigentliche Ermittlung einer solchen Distribution mit dem Ziel, zu erfahren, wie sie sich darstellt. Das hier ermittelte Ergebnis, dass im Bereich Sprachpraxis tätige Prüfer (noch) mehr für Prüfungen sensibilisiert werden müssen als solche, die in den Philologien tätig sind, ist als solches bedeutungsvoll.

Hinsichtlich der Typen von Prüfungen, die von dem Befragten abgenommen werden - eine Frage, bei der ebenfalls Mehrfachnennungen möglich waren, so dass hier recht hohe absolute Werte vorliegen  ergab sich das folgende Bild:
                         Abb. 42: Geprüfte Bereiche

Für den Bereich der fremdsprachlichen Philologien konnte dabei ein Anteil von 72,7 % (vgl. A, C, D und E) ermittelt werden, für die an Sprachenzentren angebotenen sprachpraktischen Prüfungen dagegen lediglich ein Anteil von 18,8 % (vgl. B und F). Dabei werden hier die Ergebnisse der Fragen 4 und 7 gespiegelt. Von besonderem Interesse ist hier das Teilergebnis, nach dem mündliche Staatsprüfungen zum einen und Staatsexamens- / Diplomarbeiten zum anderen mit je 19 % eine identische Verteilung aufweisen (vgl. A und C). Die befragten Prüfer sind somit in diesen Bereichen in vergleichbarer Weise tätig[9]. Im Bereich der Sprachpraxis ist weiterhin die Differenz zwischen Sprachklausuren (12,95 /; vgl. F) einerseits und mündlichen Sprachprüfungen (5,9 %; vgl. B) andererseits von Bedeutung. Diese beiden Teilergebnisse verweisen auf diejenigen Bereiche, in denen künftige Forschung am aussichtsreichsten sein mag: bei Fach-/Examensklausuren, mündlichen Abschlussprüfungen und Abschlussarbeiten (Staatsexamen/Diplom und Bachelor/Master)[10].

Wir kommen nunmehr zu dem Komplex der Einstellungen der Befragten zu ihrer Tätigkeit als Prüfer.        


3.2.4 Einstellungen der Prüfer

Die folgenden Analysen beziehen sich auf die Einstellungen der Befragten zum Prüfen. Dabei geht es um das Prüfen im Allgemeinen, um emotionale Faktoren, die mit Prüfungen im Zusammenhang stehen wie auch um das Verhältnis zwischen Prüfer und Prüfling.

Vor der eigentlichen Darstellung der ermittelten Ergebnisse ist es jedoch unerlässlich, einige kurze Anmerkungen zu dem Begriff Einstellung zu machen.


3.2.4.1 Prüfereinstellungen - terminologische Vorbemerkungen

Voraussetzung für eine zuverlässige Arbeit mit dem Begriff Einstellung ist eine Definition des Begriffs[11]. Diese kann wie folgt aussehen:
Psychologie, Soziologie: durch frühere Erfahrungen und kulturelle, milieubedingte, erzieherische Einflüsse herausgebildete verinnerlichte Haltung gegenüber allen sozialen, psychischen, kognitiven, normativen u. a. Phänomenen, die auf das Verhalten und Handeln einwirkt.
(http://lexikon.meyers.de/meyers/Einstellung#Psychologie.2C_Soziologie:_durch_fr.C3.BChere_Erfahrungen_und_kulturelle.2C_; 26.01.2008)).
Der vorliegende Begriff soll im gegebenen Zusammenhang in dieser Bedeutung verstanden und ebenso verwendet werden. Er wird hier somit in umfassender Ausrichtung gesehen: als eine Haltung, die bei unseren Befragten aus den unterschiedlichsten Erfahrungen und Einflüssen generiert worden ist und sich ihrerseits auf all diejenigen Phänomene beziehen lässt, die deren Verhalten und deren Handeln (mit)bestimmt. Die in der Definition angesprochenen Typen von Phänomen sind dabei unmittelbar auf den Komplex Prüfung anwendbar. So betreffen soziale Phänomene beispielsweise das Verhalten des Prüfers zu seinen Kollegen oder zu seinen Prüflingen und erstrecken sich auf das jeweils von beiden Seiten erwartete Rollenverhalten. Psychische Phänomene beziehen sich beispielsweise auf den jeweils aktuellen Stressfaktor, dem Prüfer und Prüflinge in einer gegebenen Situation ausgesetzt sind. Normative Phänomene können zum Beispiel für die organisatorischen Gegebenheiten der Prüfungssituation relevant sein. Einige der hier angesprochenen Aspekte sollen im Folgenden auf der Basis unserer Daten einer näheren Analyse zugeführt werden.


3.2.4.2 Allgemeine Einstellungen zu Prüfungen

Die erste Frage zu diesem Komplex betrifft die Affinität der Prüfer zu Ihrer Prüfungstätigkeit und ist die allgemeinste ihrer Art. Sie stellt den Hintergrund dar, auf dem die weiteren Fragen, die sich auf diesen Objektbereich erstrecken, zu interpretieren sind:
                Abb. 43: Allgemeine Einstellungen zu Prüfungen

Etwa zwei von fünf Prüfern (42,2 %; vgl. B) üben ihre Tätigkeit gern aus. Zusammen mit einem Anteil von 15.5 % der Befragten, die sehr gern prüfen (vgl. A), beträgt der Anteil der Befragten, die ihre Prüfungstätigkeit mit Freude ausüben, 57,5 %. Dies ist ein bedeutsames Ergebnis. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit darin, dass derjenige, der eine Arbeit mit Freude verrichtet, diese in qualitativ hochwertiger Weise erledigt. Derjenige hingegen, der eine Arbeit ungern oder mit einer gewissen Aversion ausübt, verrichtet diese tendenziell in weniger befriedigender Qualität. Auf dem Hintergrund dieses Zusammenhangs stellt das Faktum, dass fast sechs von zehn Prüfern eine derart positive Einstellung zu Prüfungen haben, ein erfreuliches  Ergebnis  dar. Umgekehrt  kann  jedoch vermerkt werden, dass dies etwa vier von zehn Prüfern zu wenig sind: Es gibt - trotz dieses guten Resultats - noch zu viele Prüfer, deren Einstellung zu ihrer Arbeit verbesserungswürdig ist. Im Einzelnen ergeben sich für diese die folgenden Ergebnisse.

Etwa ein Drittel der Befragten (33,8 %; vgl. C) weist eine indifferente Einstellung zu Prüfungen auf - ein Ergebnis, das nachdenklich stimmt: Diese indifferenzierte Einstellung impliziert das Fehlen einer klaren Position zu einem gegebenen Phänomen oder einem gegebenen Sachverhalt. Eine mit einer solchen Haltung getane Arbeit wird nur in seltenen Fällen mit vollem Engagement verrichtet. Vielmehr wird sie mehr oder minder halbherzig erledigt, ohne das Bestreben der Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses. Dieser Zusammenhang lässt deutlich werden, dass hier noch eine erhebliche Imageverbesserung von Prüfungen notwendig ist: Die Prüfungsdidaktik wird sich in Zukunft prioritär um diese Gruppe von Prüfern zu kümmern haben, um ihnen zu verdeutlichen, dass ihre Prüfungstätigkeit mit einer erheblichen gesellschaftlichen, individuellen und nicht zuletzt auch moralischen Verant-wortung einhergeht - mit einer Verantwortung also, die nicht mit einer Haltung der Indifferenz vereinbar ist. Nur verantwortliches Prüfen mit einer entsprechenden, die enorme Relevanz dieser Arbeit reflektierenden Einstellung kann deren Bedeutung gerecht werden. Nur unter dieser Bedingung sind Prüfungen für die Prüfer selbst, für ihre Prüflinge, für die Hochschule, an der die Prüfungen stattfinden und letztlich auch für die Gesellschaft von Nutzen.

Eine negative Einstellung zu Prüfungen weisen 7,77 % der Befragten auf (vgl. D) – ein Wert, der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als positiv gewertet wird, da er relativ niedrig liegt. Ausgehend von einem gedachten Idealfall, in dem jeder Prüfer seine Arbeit gern verrichtet, ist jedoch auch diese Zahl noch zu hoch. In diesem Zusammenhang muss jedoch das Faktum berücksichtigt werden, dass eine akademische Arbeit an der Hochschule in der breiten Mehrzahl der Fälle gleichsam automatisch Prüfungstätigkeiten einschließt. Für die betreffenden Hochschullehrer und Dozenten existiert in dieser Hinsicht keinerlei Wahlmöglichkeit. Ob ein Dozent gern als Prüfer agiert oder nicht, ist angesichts dieser Sachlage leider kaum von Bedeutung: Es wird kaum ein Dozent seine neue Hochschulstelle nicht antreten, nur weil er nicht gern als Prüfer arbeitet.

Über diese Gesichtspunkte hinaus ist eine weitere Überlegung in Betracht zu ziehen: Auch derjenige, der eine negative Einstellung zu einem gegebenen Phänomen hat, hat zumindest eine Meinung. Dieses Faktum an sich ist - im Vergleich zu potentieller Indifferenz - bereits positiv zu werten.

Die für diese Frage ermittelten Ergebnisse und ihre Analyse weisen der Prüfungsdidaktik eine weitere wichtige Aufgabe zu: Diese besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass solchen Hochschulprofessoren und -dozenten, die nicht gern als Prüfer arbeiten, auf legitime Art und Weise die Möglichkeit gegeben wird, gar keine oder nur (sehr) wenige Prüfungen abzunehmen. Umgekehrt sollten diejenigen Professoren und Dozenten, die gern prüfen, die Möglichkeit erhalten, in der Tat mehr Prüfungen durchzuführen. Für die Umsetzung dieses Vorschlages wird es in Zukunft notwendig sein, Prüfungen - einschließlich deren Planung und Durchführung - als hochwertiges akademisches Instrument anzusehen und sie mit entsprechender Reputation wie auch mit entsprechenden positiven Sanktionen - wie beispielsweise Lehrdeputatsreduktionen - auszustatten: Wer mehr prüft, sollte dafür adäquat entschädigt werden.

Zudem wird es in Zukunft erforderlich sein, den Grundpfeilern hochschulischer Arbeit - der Forschung und der Lehre - einen dritten, gleichberechtigten Pfeiler an die Seite zu stellen, somit von einer Dreigliedrigkeit von Forschen, Lehren und Prüfen auszugehen und diese wirksam zu institutionalisieren. Daher sollte die Bereitschaft von Hochschuldozenten, für Prüfungen zur Verfügung zu stehen, und deren Leistungen als Prüfer als ein Element anerkannt werden, das positive Auswirkungen auf deren Qualifikationsprofil hat und ihnen bei Bewerbungen und Beförderungen zuträglich ist. Dies sollte nicht im Sinne einer „Bestrafung“ potentiell weniger guter Prüfer geschehen, sondern einzig und allein in positiver Weise: als Belohnung für gute und fleißige Prüfer[12].

Nur bei Erfüllung der hier geschilderten Bedingungen wird es in Zukunft möglich sein, Prüfungen den ihnen zukommenden Wert und die ihnen gebührende Bedeutung auch im praktischen akademischen Leben zukommen zu lassen. Unsere Reflexionen mit all ihren Implikationen enthalten somit nicht zuletzt ein erhebliches hochschulpolitisches Potential.

Im Anschluss an diese Analyse der allgemeinen Einstellungen der von uns befragten Prüfer stehen im Folgenden die emotionalen Faktoren von Prüfungen im Mittelpunkt.


3.2.4.3 Emotionale Faktoren von Prüfungen  

Der erste emotionale Faktor, der im Rahmen der Erforschung der Einstellung zu Prüfungen erhoben wird, ist derjenige einer möglicherweise positiven affektiven Komponente. Bezugspunkt sind dabei zunächst mündliche Prüfungen:



              Abb. 44: Positive affektive Komponente von Prüfungen


Die effiziente Testung des Wissens der Prüflinge weist unter den gegebenen Antwortalternativen mit 45,4 % den höchsten Zuspruch auf (vgl. B). Die Chance der Prüfer, die eigenen Prüflinge zu guten Leistungen führen zu können, erweist sich mit 37,6 % als die zweitwichtigste Antwortalternative (vgl. A). Die Möglichkeit der Vornahme einer Selektion unter den Prüflingen bereitet lediglich etwas weniger als einem Zehntel der Befragten Freude (9,09 %; vgl. C). Der weitaus geringste Anteil kommt der Möglichkeit zu, Freude auf der Basis dessen zu empfinden, die eigenen Qualitäten als Hochschullehrer herausstellen zu können (2,89 %; vgl. D)[13].  

Die hier ermittelten Ergebnisse sind im Hinblick auf die sich aus ihnen ergebenden Details aufschlussreich. Sie machen - über die Erfragung der emotionalen Komponente hinaus - die Nutzung mündlicher Prüfungen durch die Prüfer transparent. Prüfer können es in mündlichen Prüfungen als positive Herausforderung an die eigenen Examinierfertigkeiten ansehen, ihre Fragen so gewandt zu verbalisieren, dass sie einen zuverlässigen Einblick in die (hohe) Qualität des Wissens ihrer Prüflinge erlangen. Die Umsetzung dieser Herausforderung kann - besonders dann, wenn sie zum Zwecke einer möglichst effizienten Erarbeitung des geprüften Sachgebietes erfolgt - eine beachtliche Freude mit sich bringen[14]. In diesem Szenario haben sie ein Interesse daran, durch vorsichtige, immer weiter gehende Fragen immer mehr Wissen in ihren Prüflingen zu aktivieren - und im Idealfall durch von diesen erbrachte Transferleistungen während der Prüfung sogar zu generieren. Gelingt dies, so sehen sie darin zugleich eine Bestätigung der Effizienz der eigenen Fragekunst und finden dann zusätzlich in ihrer Prüfertätigkeit eine gewisse persönliche Selbstbestätigung.  

Während in Antwortalternative B die Gewandtheit des Fragens thematisiert wird, steht in Antwortalternative A das Bemühen im Vordergrund, bei den Prüflingen möglichst gute Leistungen zu evozieren. Diese Möglichkeit der Prüfer zu direkter Einflussnahme - von der realistischerweise ausgegangen werden muss, auch wenn sie aus methodischen Gründen natürlich nicht wünschenswert sein kann - ist in mündlichen Prüfungen naturgemäß besonders groß. Da eine negative Intervention - also die Generierung schlechter Leistungen bei den Prüflingen - prinzipiell umgekehrt ebenso möglich ist, ist die Tatsache, dass diese positive Antwortalternative in dieser Frage auf dem zweiten Rangplatz steht, als erfreulich zu werten.

Mündliche Prüfungen werden lediglich von etwa einem Zehntel der Befragten als ein unmittelbares Instrument der Selektion wahrgenommen. Wenn das Selektionsprinzip auch aus keiner Prüfung wirklich ausgeblendet werden kann, stellt es doch einen erheblichen Unterschied dar, ob Prüfer dieses Prinzip als vordringlich betrachten oder nicht. Aus unseren Ergebnissen ist ersichtlich, dass die Mehrzahl unserer Befragten dies nicht tut. Dieses Teilergebnis ist ebenfalls als erfreulich zu werten.

Der Umstand, dass lediglich eine verschwindend geringe Anzahl unserer Befragten sich selbst - und nicht den Prüfling - als Mittelpunkt mündlicher Prüfungen empfindet, spricht zusammen mit dem Phänomen, dass keiner von ihnen nach eigener Aussage im Rahmen mündlicher Prüfungen seinem Kollegen imponieren will, zusätzlich für eine Zentrierung auf den Prüfling und somit dafür, dass dessen Schicksal den Prüfern durchaus am Herzen liegt[15].

Die zu der vorhergehenden analoge Frage nach den positiven emotionalen Auswirkungen des Prüfungstyps Klausur stellt sich in den gegebenen Antworten wie folgt dar:  

   Abb. 45: Positive affektive Komponente des Prüfungstyps Klausur


Die Bestätigung der unterrichtlichen Bemühungen der Befragten in den Prüfungsergebnissen ist mit 38,9 % die am häufigsten genannte Antwortalternative  (vgl. A), gefolgt von der Möglichkeit der Profilierung, die Studierenden potentiell in Klausuren gegeben wird (28,2 %; vgl. C). Im Vergleich zu diesen beiden Teilergebnissen ist die mögliche Nutzung von Klausuren zu pädagogischen Zwecken (12,5 %; vgl. E) und zur Bewertung der Prüflinge (11,9 %; vgl. D) von ungleich geringerer Bedeutung. Mit einem Anteil von 4,7 % als weitgehend unbedeutend kann schließlich die mögliche Widerspiegelung der Qualität des Prüfers als Dozent eingestuft werden (vgl. B).

Ein wichtiges - wenn auch nicht prioritär prüfungsdidaktisches - Teilergebnis dieser Frage liegt darin, dass die Befragten durchaus bemüht sind, ihren Unterricht so effektiv wie möglich aufzubauen, und dass sie erkennen, dass die Klausuren den sie vorbereitenden Unterricht durchaus im Sinne einer Feedback-Funktion zu spiegeln vermögen. Dieses Ergebnis ist zudem ein Ausweis einer hochgradigen Selbstreflexion der Prüfer - und dieses Phänomen ist durchaus prüfungsdidaktisch relevant (vgl. A).

Die Förderung guter Studierender ist für jeden vierten Befragten von Relevanz und verweist auf die intensive Interaktion zwischen Dozenten und Studierenden, die in der gegebenen Situation zu Prüfern und Prüflingen mutieren (vgl. C).

Die Beantwortung der Antwortalternativen D und E verdeutlicht, dass Bewertung und Benotung für Prüfer durchaus einen Quell der Freude darstellen können - in unserer Erhebung für 24,4 % der Befragten. Dieses enge Ineinandergreifen positiver Emotionen einerseits und der Bewertung von Prüflingen andererseits ist nicht unproblematisch, da beide Elemente streng voneinander getrennt werden und in sachlich sowie emotional distanzierter Art und Weise vonstatten gehen sollten: Jegliche emotionale Beteiligung der Prüfer an Bewertung und Benotung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Letztere nicht in höchstmöglicher Objektivität erfolgt. Das hier ermittelte Ergebnis etwa eines Viertels der befragten Prüfer, bei denen diese strikte Trennung hier nicht zufriedenstellend gegeben ist, verweist auf die Notwendigkeit, Prüfer in Zukunft auf eine gefühlsmäßig distanzierte Bewertung und eine nicht-emotionale Vergabe von Noten hin zu schulen. 
 
Im Hinblick auf Wissenschaftliche Hausarbeiten ergeben sich für die emotionale Komponente die folgenden Resultate:


  Abb. 46: Positive affektive Komponente des Prüfungstyps Wissenschaftliche Hausarbeit

Die Beantwortung dieser Frage weist unübersehbare Parallelen zu derjenigen von Frage 45 (s. oben) auf[16]. Dabei ergibt sich jedoch ein Unterschied, da die beiden ersten Rangplätze von Frage 45 (vgl. A und C) hier in umgekehrter Reihenfolge auftreten. In Frage 53 stellt die Profilierung guter Studierender für die Befragten den wichtigsten Gesichtspunkt dar. Das Kriterium der Bestätigung der Unterrichtsbemühungen der Prüfer tritt hier naturgemäß in den Hintergrund: Im Rahmen wissenschaftlicher Hausarbeiten ist die Prüfungsvorbereitung, wie sie im Rahmen des Unterrichts stattfindet, von ungleich geringerer Bedeutung als beispielsweise im Falle von Klausuren oder mündlichen Prüfungen.

Die übrigen Rangplätze finden sich in den Fragen 45 und 53 in identischer Verteilung. Dabei treten zwar hinsichtlich einzelner Werte gewisse Abweichungen auf (vgl. D und E), diese kompensieren sich in ihrer Gesamtheit jedoch[17]. Das Kriterium der emotionalen Involvierung der Prüfer ist somit bei der Bewertung und Benotung wissenschaftlicher Hausarbeiten zu demjenigen des Prüfungstyps Klausur weitgehend analog. Somit stützen sich die zu den Fragen 45 und 53 ermittelten Ergebnisse gegenseitig.

In diesem Kontext drängt sich die Frage auf, ob nicht eine anonyme Bewertung sowohl von Klausuren als auch von Wissenschaftlichen Hausarbeiten, die den Rang von Studienabschlussarbeiten einnehmen oder von vergleichbarer Bedeutung sind, die bessere Alternative darstellt. Durch diese Maßnahme würde es möglich, die emotionale Seite von deren Bewertung weitgehend auszuschließen.

Ebenso vergleichbar - und in diesem Falle mit 4,7 % (Frage 45) und 4,72 % (Frage 53) sogar nahezu identisch - ist der Anteil derjenigen Befragten, die die Prüfungsergebnisse ihrer Studierenden in Wechselwirkung zu ihrer eige-nen Leistung als Dozenten interpretieren (vgl. jeweils B). Auch in dieser Hinsicht ergibt sich eine mutuelle Bestätigung sowohl der ermittelten Ergebnisse als auch der daraus folgenden Interpretation[18].


3.2.5 Die Bedeutung von Prüfungen und Prüfungsdidaktik  

Im Folgenden wollen wir uns zur Abrundung dieser Kurzdarstellung unserer Befragung dem Gesichtspunkt der Bedeutung von Prüfungen einerseits und der Bedeutung der Prüfungsdidaktik für Prüfer andererseits zuwenden. Es geht dabei zum einen darum, festzustellen, welche Bedeutung die Befragten Prüfungen zumessen, und letztendlich darum, ob sie die Prüfungsdidaktik als eine wichtige Disziplin ansehen. Die Beurteilung dieser Fragen ist nicht zuletzt von Bedeutung für die Zumessung des grundsätzlichen Wertes des Faches Prüfungsdidaktik. Eine lediglich geringe Wertzuweisung würde für die Prüfungsdidaktik bedeuten, dass eine weitere Etablierung dieses Faches unnötig und zwecklos wäre. Die im Folgenden dargestellten und analysierten Fragen sind somit für diese Disziplin insgesamt von erheblicher Relevanz.

Zunächst kommen wir nun zu der Wichtigkeit von Prüfungen. Die Befragten messen Prüfungen allgemein die folgende Bedeutung zu:

                 Abb. 47: Bedeutung von Prüfungen

Die größte Gruppe der Befragten - exakt 47,4 % - schätzt Prüfungen als „wichtig“ ein (vgl. B), dicht gefolgt von der zweitgrößten Gruppe - 44,1 % -, die Prüfungen als „sehr wichtig“ erachtet (vgl. A). Lediglich 1,67 % der Befragten beurteilen Prüfungen als „mehr oder weniger unwichtig“ (vgl. D), und als „unwichtig“ betrachten sie nur 1,11 % der Befragten (vgl. E). Indifferent gegenüber Prüfungen zeigen sich 4,46 % der befragten Prüfer.

Dieses Ergebnis bedeutet nichts Anderes, als dass insgesamt 91,5 % unserer Befragen Prüfungen als wichtig bzw. sehr wichtig einstufen. Dieses Resultat steht für das Faktum, dass die Befragten die enorme Bedeutung von Prüfungen erkennen und diese ihnen sehr bewusst ist. Das Phänomen, dass Prüfungen eine derart große Bedeutung zugemessen wird, wie dies anhand der vorliegenden Zahlen zum Ausdruck kommt, ist nicht nur als aussagekräftig, sondern als in nachhaltiger Weise essentiell und für die weitere Entwicklung der Prüfungsdidaktik als ein gewichtiges Urteil einzustufen: Prüfungen spielen im Bewusstsein der Prüfer eine wesentliche Rolle; sie stellen nicht nur einen erheblichen Anteil an der Gesamttätigkeit der befragten Dozenten dar, sondern vermitteln diesen zudem eine erhebliche Verantwortung. Dass die Befragten diese Verantwortung sorgfältig zu handhaben verstehen, wird anhand unserer Daten auf beeindruckende Art und Weise deutlich.

Interpretiert man unsere Zahlen in umgekehrter Blickrichtung, so erscheinen sie nicht minder eindrucksvoll: Für nur 2,78 % der Befragten sind Prüfungen (mehr oder weniger) unwichtig (vgl. D und E). Dies ist in etwa einer unter 35 Prüfern. Diese Zahl lässt das hier ermittelte Ergebnis als noch eindrucksvoller erscheinen: Prüfer, denen Prüfungen nicht wichtig sind, stellen lediglich eine unbedeutende Minderheit dar.

Eine weitere Frage, die in diesem Zusammenhang interessante Aufschlüsse vermitteln kann, ist diejenige, ob unsere Befragten gern mehr, ebenso viel, oder lieber weniger Prüfungen durchführen würden als bisher. Hierfür sind die folgenden Resultate maßgeblich:
   Abb. 48: Quantitative Prüfungswünsche der Befragten      

Die meisten der Befragten würde künftig gern ebenso viel prüfen wie bisher (58,1 %; vgl. C), wohingegen 29,9 % lieber weniger prüfen würden (vgl. D). Im Vergleich gern mehr Prüfungen durchführen würden 7,34 % der Befragten (vgl. B). Überhaupt keine Prüfungen durchzuführen, würden 2,25 % der Befragten vorziehen (vgl. E). Dagegen würden 1,12 % der Befragten gern viel mehr Prüfungen abnehmen als bisher (vgl. A).

Dieses Ergebnis reflektiert eine hohe Beständigkeit der Befragten hinsichtlich ihrer Prüfungstätigkeit. Insgesamt 66,6 % würden in Zukunft gern ebenso viele oder gar mehr Prüfungen durchführen, als es ihrer gegenwärtigen Situation entspricht (vgl. C, B und A). Lieber weniger oder überhaupt nicht prüfen würde dagegen fast ein Drittel der Befragten (32,15 %; vgl. D und E). Insgesamt ergibt sich damit ein Zwei-Drittel- zu Ein-Drittel-Verhältnis von Prüfern, die Ihren Gesamtprüfungsumfang gern konstant halten oder erweitern würden bzw. die ihren Prüfungsumfang gern vermindern würden.  

Die zu Frage 10 erhobenen Resultate finden hier ihre Bestätigung: Es besteht kein zufälliger Zusammenhang zwischen den Fakten, dass die Befragten Prüfungen als wichtig empfinden und dass sie künftig gern in gleichem oder gar höherem Umfang prüfen würden. Umgekehrt kann aufgrund unsere Ergebnisse jedoch nicht gefolgert werden, dass dasjenige Drittel der Befragten, das seine Prüfungstätigkeit quantitativ gern reduzieren würde, diese Reduktion anstrebt, da Prüfungen für sie nicht von Bedeutung seien. Diese Feststellung lässt sich auf der Grundlage unserer zu den Fragen 10 und 11 erhobenen Befunde machen: Prüfungen werden von einer zu großen Mehr-heit der Befragten als wichtig oder gar sehr wichtig angesehen, um eine negative Korrelation zwischen dem Wunsch nach Prüfungsreduktion und der Bedeutung von Prüfungen für die Befragten anzunehmen.

Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der Befragten gern als Prüfer oder Prüferin arbeitet. Die für Frage 11 ermittelten Befunde liefern somit eine allgemeine Bestätigung der Ergebnisse zu Frage 9 (vgl. 3.2.4.2). Fragebogentechnisch bedeutet dies zudem, dass die Kontrollfunktion zwischen den Fragen 9 und 11 gefruchtet hat.

Zum Abschluss der Kurzanalyse unserer Befragung sei schließlich ein Blick auf die Einschätzung der Prüfer hinsichtlich der Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik vorgenommen:
      Abb. 49: Bedeutung des Faches Prüfungsdidaktik      

Nahezu die Hälfte aller Befragten (48,6 %) schätzt die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik als notwendig und nützlich ein (vgl. B). Als von hoher Dringlichkeit sehen dessen Schaffung 13,4 % der Befragten (vgl. A).

Für weder notwendig noch unnötig halten sie 14.5 % der Befragten (vgl. C) und stehen hier für eine Position der Indifferenz. Nicht unbedingt notwendig ist die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik für 12,8 % (vgl. D); für nicht notwendig halten sie 5,02 % der Befragten.

Insgesamt erachten somit 62,0 % der Befragten die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik als notwendig bzw. dringend notwendig (vgl. A und B). Dem stehen 17,82 % gegenüber, aus deren Sicht die Schaffung dieses Faches nicht bzw. nicht notwendig ist (vgl. D und E), und 14,5 % der Befragten, die angesichts dieser Frage eine gleichgültige Position vertreten. Dieses Resultat repräsentiert ein klares Votum für die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik an deutschen Hochschulen, das nicht ohne Weiteres übergangen werden kann. Die Prüfungsdidaktik wird in unserer Befragung als eine wissenschaftliche Disziplin betrachtet, der eine erhebliche Bedeutung zugesprochen wird und somit der Status eines Faches konzediert werden sollte. Es ist dies ein auf empirischer Grundlage ermitteltes Resultat, das sich der wissenschaft-lichen Öffentlichkeit aufgrund seiner Nachhaltigkeit aufdrängt, da es die Meinung einer erheblichen Zahl qualifizierter Hochschullehrer widerspiegelt, bei denen es sich ja gerade um diejenige Berufsgruppe handelt, die in ihrem Berufsalltag unmittelbar mit Prüfungen befasst ist, diese plant und durchführt, und diese Frage somit kompetent zu beurteilen in der Lage ist.

Dieses Ergebnis stellt nichts anderes dar als eine eindrucksvolle Bestätigung und Bestärkung unserer Forderung nach Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik und seiner Fundierung als wissenschaftliche Disziplin, die wir in unserer Monographie aus dem Jahre 2002 gefordert haben. Aus dem hier ermittelten Ergebnis folgert somit eine beachtliche Motivation für die Fortführung unserer Arbeit.



3.3  Fazit der Prüferbefragung

Die vorliegende Kurzanalyse unserer Prüferbefragung ermöglicht folgendes Fazit, in dessen Rahmen - neben dem nochmaligen Dank an die Prüferinnen und Prüfer, die an unserer Befragung teilgenommen haben - zwei generalisierende Bemerkungen vonnöten sind.

Zusätzlich zu den in diesem Kapitel ermittelten Indizien für die erhebliche Bedeutung des Faches Prüfungsdidaktik ergibt sich in der Befragung insgesamt ein weiterer wichtiger Hinweis: Dieser besteht in der geduldigen und ernsthaften Bearbeitung dieses Fragebogens durch die Befragten, der mit seinen insgesamt 54 Fragen erheblich länger war, als dies im gegebenen Rahmen dargestellt werden konnte. Würden Prüfungen von den Befragten nicht eine enorme Bedeutung zugeschrieben, hätten diese den Fragebogen entweder nicht erst zu bearbeiten begonnen oder vorzeitig abgebrochen. Dass sie ihn hingegen nicht nur vollständig bearbeitet, sondern die einzelnen Fragen zudem mit großer Sorgfalt beantwortet haben, spricht nicht nur für unsere Befragten, sondern auch für deren positive Einschätzung des Faches Prüfungsdidaktik.

Die hier durchgeführte Befragung impliziert eine nicht geringe Anzahl an Forschungsdesiderata, auf die bereits im jeweiligen Kontext verwiesen worden ist. Auf einige dieser wird im Folgenden an unterschiedlichen Stellen der vorliegenden Monographie zurückzukommen sein, andere werden der nunmehr notwendig gewordenen Forschungstätigkeit zur Prüfungsdidaktik Orientierung verleihen und sie beflügeln[19]. Unsere Prüferbefragung steht somit in enger Verbindung mit den hier folgenden Kapiteln einerseits wie auch mit Folgepublikationen zur Prüfungsdidaktik andererseits. Sie bietet bereits an dieser Stelle einen wichtigen Anstoß für die weitere Entwicklung dieses Faches[20].

Im nächsten Schritt unserer Überlegungen wollen wir uns nunmehr mit allgemeinen Grundbedingungen beschäftigen, die idealerweise für schriftliche und mündliche Prüfungen erfüllt sein sollten.



[1] Vgl.: http://www.my3q.com/ (31.03.2011)
[2] An dieser Stelle wird nur auf diejenigen Fragen unseres Fragebogens eingegangen, die für die vorliegende Monographie von Relevanz sind. Eine gesamthafte Behandlung der Frage-bogenkonzeption wie auch der Motivierung der ihn konstituierenden Fragen wird in der erwähnten, separaten Publikation erfolgen.
[3] Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Gesamtsumme der einzelnen prozentualen Anteile lediglich 99,9 % (vgl. Antwortalternative A mit 65,3 % und Antwortalternative B mit 34.6 %)  und nicht 100,0 % beträgt, so entzieht sich die Ergebnisermittlung hier unserem Einfluss: Deren Berechnung erfolgte nicht durch uns, sondern durch die Fragebogenplattform My 3Q, auf der wir die vorliegende Befragung erzeugt und durchgeführt haben. Diese Feststellung ist in analoger Form auch auf solche Fälle erweiterbar, in denen Prozentwerte nicht mit einer, sondern vielmehr mit zwei Stellen hinter dem Komma aufgeführt sind, was bisweilen vorkommt. Auch in solchen Fällen mussten wir der von dieser Plattform angebotenen Infrastruktur Rechnung tragen.
[4] Ausnahmen stellen hier gegebenenfalls die östlichen Bundesländer dar wie auch solche Sprachenzentren, die institutionell von einem – nicht selten fachfremden – Professor geleitet werden, dem dann für das alltägliche Dienstgeschäft jedoch ein geschäftsführender Leiter zur Verfügung steht.
[5] An dieser Stelle sei auf die Möglichkeit der Befragten hingewiesen, Mehrfachnennungen vorzunehmen, die diese auch bei solchen Frage hatten, bei denen dies im Fragebogen nicht ausdrücklich vermerkt worden war. Ziel dieses Vorgehens war es, in der Beantwortung der einzelnen Fragen die größtmögliche Freiheit zu gewähren.
[6] Auch in dieser Frage haben einige Befragte Mehrfachnennungen vorgenommen.
[7] Dies impliziert jedoch zugleich, dass die Befragten der vorliegenden Untersuchung tendenziell zu denjenigen Hochschuldozenten gehören, die Prüfungen mitsamt ihren Implikationen gerade nicht gleichgültig gegenüber stehen.
[8] Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass die Daten beider Prüfergruppen prinzipiell jederzeit voneinander getrennt analysiert werden können, was im Rahmen der vorliegenden Darstellung jedoch nicht beabsichtigt wird.
[9] Es wird notwendig sein, dieses Teilergebnis nach der Komplettierung der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge an den deutschen Hochschulen einer Überprüfung zu unterziehen.
[10] Quantitative Resultate können zwar nicht den einzigen Indikator für sich in einem definierten Bereich ergebende Forschungsnotwendigkeiten darstellen, sie können jedoch ein bedeutsames Bewertungsadditiv repräsentieren.
[11] Es wird hier keineswegs auf eine umfassende Definition dieses Begriffes abgezielt, sondern lediglich auf eine belastbare, den Fortgang der weiteren Darstellungen stützende  Arbeitsdefinition.
[12] Auf diese Weise erhalten die weniger guten Prüfer die Möglichkeit, ein Mehr ihrer Zeit und Energie in Forschung und Lehre zu investieren und sich auf diesem Wege eine Weiterqualifizierung zu sichern, ohne dass ihnen durch die geringere Anzahl abgenommener Prüfungen Nachteile erwüchsen.
[13] Die Kategorie Andere Angaben wird auf dieser Analysestufe nicht detailliert ausgewertet.
[14] Eine Prüfung kann einem Prüfer zwar prinzipiell auch dann zur Freude gereichen, wenn er durch eine entsprechende Fragetechnik bestrebt ist, die Wissenslücken seiner Prüflinge bloßzulegen. Von einer solchen, negativen Einstellung von Prüfern wird hier jedoch bewusst nicht ausgegangen. Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass diese Frage nicht auf die Ermittlung problematischen Prüferverhaltens abhebt. Sie wird somit hier positiv - oder zumindest nicht negativ - gewürdigt.
[15] Hier sei explizit auf die Ehrlichkeit verwiesen, die die Befragten bei der Beantwortung der einzelnen Details an den Tag gelegt haben.
[16] Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Frage 45 exakt 65 Antworten mehr erhalten hat als Frage 53 (319 zu 254 Antworten).
[17] Der Unterschied zwischen den Antwortalternativen D und E in Frage 45 mit einem Gesamtanteil von 24,4 % und in Frage 53 mit einem Gesamtanteil von 23,3 % ist nicht signi-fikant und somit auch nicht interpretierbar.
[18] Ein direkter Vergleich zwischen Frage 18 einerseits und den Fragen 45 und 53 andererseits ist nicht möglich, da Erstere aufgrund ihrer prüfungstypspezifischen Ausrichtung anders formuliert werden musste als die beiden Letzteren.
[19] In diesem Zusammenhang sei vordringlich auf Kap. 8 verwiesen.
[20] Die angekündigte Publikation zu unserer Prüferbefragung wird in detaillierterer Form und in Erweiterung auf die Befragung von Prüflingen zusätzliche Implikationen und Forschungsdesiderata enthalten.