3. Wissenschaftliche Prüferbefragung zur Durchführung hochschulischer Prüfungen im Bereich der modernen Fremdsprachen
3.1 Beschreibung
des Fragebogens
Bei der hier zunächst notwendigen Beschreibung des Fragebogens wollen
wir uns auf die für das weitere Verständnis der gewählten Stoßrichtung notwendigen
Gesichtspunkte beschränken. Zuerst werden wir uns dabei mit den grundlegenden
Gesichtspunkten des Fragebogens beschäftigen.
3.1.1
Grundlegende Gesichtspunkte
3.1.1.1
Allgemeine Bemerkungen
Im Folgenden werden die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Befragung
vorgestellt, die sich an Prüfer und Prüferinnen an deutschen Hochschulen
richtet. Diese Fragebogenaktion ist Teil einer umfangreichen Pilotstudie, deren
Ergebnisse in Kürze in einer separaten Monographie publiziert werden: Eine
komplette Präsentation ihrer an dieser Stelle würde nicht nur den Rahmen der
vorliegenden Monographie sprengen, sie würde auch ihr strukturelles
Gleichgewicht stören.
Ziel der Befragung ist es herauszufinden, welche Einstellungen Prüfer zu
den von ihnen durchgeführten Prüfungen haben, und Einsichten zu vermitteln in
die Art und Weise, in der Prüfungen gehandhabt werden. Dabei werden wichtige,
hochschulische Prüfungen betreffende Gesichtspunkte berücksichtigt.
In dem hier relevanten Kontext gehen wir von der folgenden
Arbeitshypothese aus:
An deutschen Hochschulen und Universitäten durchgeführte Prüfungen bieten in Planung, Organisation und Durchführung aufgrund der existierenden Rahmenbedingungen Raum für Verbesserungen; die Einstellungen von Prüfern und Prüferinnen entsprechen nicht in allen Fällen dem Standard, der eine prüfungsdidaktisch adäquate Durchführung von Prüfungen ermöglichen würde. Die Bedeutung des Faches Prüfungsdidaktik wird jedoch von Prüfern und Prüferinnen im Allgemeinen gesehen. Die fortgesetzte Etablierung dieses Faches stellt daher eine dringende Notwendigkeit dar.
Diese Arbeitshypothese ist bewusst nicht ausschließlich negativ
formuliert; ihre negativen Anteile werden hier absichtlich sehr vorsichtig
ausgedrückt. Uns geht es hier nicht darum, Prüfer und Prüferinnen zu kritisieren
und gleichsam belehrend aufzutreten. Uns geht es hier vielmehr darum, einen Beitrag
zur Verbesserung der existierenden Prüfungspraxis zu leisten und an der
Hochschule geplante und durchgeführte Prüfungen einem (noch) höheren
Qualitätsstandard zuzuführen.
Von Bedeutung ist hier, dass in der vorliegenden Monographie allgemeine
Aussagen zu Prüfungen im Fremdsprachenbereich insgesamt erarbeitet werden sollen. Eine differenziertere Sicht der
Dinge hat keinen Platz in dieser allgemeinen Arbeit zur Prüfungsdidaktik,
sondern muss einer separaten Publikation vorbehalten bleiben. Der Grund hierfür
liegt darin, dass spezifischere Aussagen über das Interesse und die Ausrichtung
dieser Publikation hinausgehen würden. Aus diesem Grunde werden hier auch nur
die Gesamtergebnisse unseres, für Prüfer konzipierten Fragebogens vorgestellt.
Weitere Differenzierungen werden hier bewusst außer Acht gelassen. Das letztendliche
Ziel der Befragung im Hinblick auf die hier dargestellten Gesamtergebnisse
besteht darin, die Notwendigkeit des Faches Prüfungsdidaktik
zu ermitteln.
Das Vehikel dieser Untersuchung war ein Online-Fragebogen, der insgesamt 54 Fragen enthielt, von denen die
meisten nicht nur durch Ankreuzung zu beantworten waren, sondern den Befragten
zudem die Möglichkeit eröffneten, einen eigenen Kommentar abzugeben. Der ursprüngliche
Fragebogen war konzeptionell somit hinreichend umfassend, um die wichtigsten,
im Rahmen unserer Untersuchung relevanten Fragestellungen abzudecken. Die
vollständige Untersuchung wird - wie erwähnt - zu einem späteren Zeitpunkt an
anderer Stelle veröffentlicht werden. Im vorliegenden Zusammenhang seien
lediglich die grundlegenden, für das Fach Prüfungsdidaktik
gesamthaft relevanten Ergebnisse dargestellt und somit einige wenige Fragen
behandelt, die aus dem Gesamtfragebogen herausgegriffen werden und ein Licht
auf die von den Befragten eingeschätzte Bedeutung von Prüfungen wie auch die
Prüfungsdidaktik als Fach werfen.
Eine wesentliche Fragestellung ist diejenige, in welchem Maße Prüfungen
im Bewusstsein von Prüfern implementiert sind. Schätzen Prüfer die Bedeutung
von Prüfungen realistisch ein - also als für Studierende mehr oder minder
existentiellen Bestandteil ihres Hochschulstudiums -, oder stellen Prüfungen
für Prüfer nichts anderes als einen notwendigen, unabänderlichen, aber mehr
oder minder lästigen Bestandteil ihres Berufslebens dar? Prüfen Prüfer somit
nur aus dem Grunde, weil sie prüfen müssen, oder setzen sie die Bedeutung, die
Prüfungen für Studierende haben, in ihre eigene Prüfungspraxis um? Die hier
formulierten Fragen zielen darauf ab zu erfahren, ob Prüfungen von Prüfern
hinreichend ernst genommen werden. Es soll somit nicht zuletzt versucht
werden, Einstellungen von Prüfern zu Prüfungen herauszuarbeiten und auf diese
Weise zu Erkenntnissen zu gelangen, die Rückschlüsse darüber ermöglichen, ob
mehrheitlich auf adäquate Art und Weise geprüft wird oder ob hier Verbesserungen
- und wenn, ja welche - zum Zwecke einer qualitativ höherstehenden
Prüfungspraxis greifen könnten.
Im Folgenden werden wir kurz darauf eingehen, an welche Adressaten der
Fragebogen versandt wurde.
3.1.1.2
Adressaten
Unser Fragebogen wurde technisch
mit Hilfe der Website my 3q[1]
erstellt und stand den Teilnehmern online
zur Verfügung. Der Link wurde - als Teil eines ausführlichen Anschreibens -
persönlich an die nachstehend aufgeführten Adressatengruppen mit der Bitte
geschickt, ihn auszufüllen und gegebenenfalls an geeignete Personen
weiterzuleiten:
- Lehrende an Englischen Seminaren deutscher Hochschulen,
- Lehrende an Romanischen Seminaren deutscher Hochschulen,
- Lehrende an Sprachenzentren deutscher Hochschulen.
Auf diese Weise haben wir versucht, die wichtigsten in Deutschland
gelehrten und studierten Fremdsprachen abzudecken. Der Fragebogen wurde sowohl
an Professoren und Professorinnen wie auch an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
verschickt.
Die Kontaktierung der erwähnten Sprachenzentren erfolgte, um auf diese
Weise den Bereich der Sprachpraxis für Hörer aller Fachbereiche abzudecken -
im Unterschied und in Ergänzung zu demjenigen der Sprachpraxis an den
philologischen Seminaren, die sich an Studierende der jeweiligen
Fremdsprache(n) richten. Angeschrieben wurden dabei diejenigen Sprachenzentren,
die dem AKS (Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und
Fremdspracheninstitute) angeschlossen sind.
3.1.2 Allgemeine
Angaben
Vor der Analyse der erhobenen Daten ist es notwendig, unseren Fragebogen
kurz zu beschreiben[2]. Der ursprüngliche
Fragebogen umfasst insgesamt 54 Fragen. Er ist zunächst untergliedert in einen
allgemeinen Teil (Fragen 1 - 4), in dem Informationen zu den Befragten selbst
erhoben werden und auf generelle Prüfungsgesichtspunkte aus der Perspektive der
Befragten Bezug genommen wird (Fragen 5 - 12). Im Anschluss werden mündliche
Prüfungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt (Fragen 13 - 30). Daran
anschließend werden Informationen zu verschiedenen Aspekten von Klausuren
erhoben (Fragen 31 - 46) und abschließend Fragen zu wissenschaftlichen
Hausarbeiten (Fragen 47 - 54).
Aus dem Fragebogen werden im Folgenden einige wenige Fragen
herausgegriffen. Aus diesen ist jedoch der Gesamtfragebogen mitsamt seiner
Planung und der ihm unterliegenden Methodik naturgemäß nicht ersichtlich, was
an dieser Stelle leider unvermeidlich ist. Fragebogenplanung und -methodik
werden jedoch in der geplanten Publikation der Gesamtergebnisse vorgenommen.
Die ersten vier Fragen erheben allgemeine Informationen zu den
Befragten, wobei Frage 1 sich auf
deren Geschlecht bezieht.
Frage 2 erfasst die Anzahl der Dienstjahre der Befragten und dient der Ermittlung
ihres Erfahrungshorizontes, der wiederum auf ihren Professionalitätsgrad
schließen lässt.
Frage 3 erhebt den Rang der Befragten in der deutschen Hochschulhierarchie.
Diese Frage stützt die vorhergehende, die quantitativ ausgerichtet ist, in
qualitativer Hinsicht.
Frage 4 bezieht sich auf Hochschuleinrichtung, an der der jeweilige Befragte
tätig ist. Diese Frage ermöglicht die Vornahme der für den Fragebogen grundlegenden
Unterscheidung zwischen einer Prüfungstätigkeit an philologischen Seminaren
einerseits und an Sprachenzentren andererseits.
Mit Frage 5 wird der zweite
Teil des Fragebogens zu allgemeinen Gesichtspunkten von Prüfungen eingeleitet.
Sie erhebt Informationen zu der Anzahl der Prüflinge eines Prüfers pro Semester
und erlaubt zum einen Rückschlüsse auf die quantitative Wichtigkeit von
Prüfungen im Rahmen der Hochschultätigkeit des betreffenden Befragten und zum anderen
Rückschlüsse auf dessen Prüfungsroutine. Darüber hinaus lässt sich anhand
dieser Frage ablesen, unter welchem Prüfungsdruck der jeweilige Dozent
gegebenenfalls steht.
Frage 6 ist im Kanon der hier zu ermittelnden Informationen obligatorisch und
zielt ab auf eine Eingrenzung der jeweiligen Sprache, in der geprüft wird, und
gestattet somit die Vervollständigung des inhaltlichen Tätigkeitsbereiches des
jeweiligen Befragten.
Frage 7 erfasst das Teilfach (Linguistik,
Literaturwissenschaft, Fachdidaktik, Landeswissenschaft oder Sprachpraxis), in dem der jeweilige Befragte
arbeitet. Sie ermöglicht zum einen eine Trennung dieser Teilfächer voneinander
und zum anderen - in Komplementarität zu Frage 4 - eine Trennung zwischen den
fremdsprachlichen Philologien einerseits und der Sprachpraxis andererseits,
wobei letztere sich sowohl auf die Arbeit an einem philologischen Seminar als
auch auf diejenige an einem Sprachenzentrum beziehen kann.
Frage 8 erhebt den oder die Prüfungstypen, in dem bzw. denen der jeweilige
Prüfer tätig ist. Auch diese Frage steht für eine Trennung zwischen philologischer
und sprachpraktischer Ausbildung, die hier durch UNIcert® vertreten
ist, sie hebt jedoch zugleich auf denjenigen Bereich ab, in dem die Befragten
vordringlich prüfen und in dem sie folglich am besten orientiert sind bzw. am
ehesten Expertenwissen erworben haben können. Frage 8 stellt hinsichtlich der
Trennung philologischer und nicht-philologischer Prüfungen gleichzeitig eine
Kontrollfrage zu den Fragen 4 und 7 dar.
Frage 9 ist die erste derjenigen Fragen, mit denen die persönliche Einstellung
der Befragten zu Prüfungen untersucht wird. Die Erhebung von Informationen über
diese affektive Komponente ist für den vorliegenden Fragebogen von erheblicher
Bedeutung, da sie eine im gegebenen Kontext hochrelevante Dimension darstellt.
Zu beachten ist hier, dass an dieser Stelle lediglich auf die Einstellung zu
Prüfungen allgemein abgehoben wird. Eine Spezifizierung von Prüfungen wird
dagegen hier noch nicht vorgenommen.
In folgerichtiger Weiterentwicklung der bis hier ermittelten Gesichtspunkte
wird in Frage 10 die Bedeutung der
Institution Prüfung ermittelt. Diese
Frage erlaubt indirekte Rückschlüsse auf das Verhalten von Prüfern: Nehmen sie
Prüfungen als nicht wichtig wahr, werden sie ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit
weniger Aufmerksamkeit schenken und ihnen entsprechend weniger Zeit und
Vorbereitung widmen als es der Fall ist, wenn sie Prüfungen für wichtig
erachten.
Frage 11 geht einen Schritt weiter und erhebt den Wunsch der Befragten, mehr,
genauso viel oder weniger zu prüfen, wenn sie selbst darüber entscheiden
könnten. Diese Frage ist somit indirekt ebenfalls affektiv ausgerichtet und in
Komplementarität zu der vorhergehenden Frage zu sehen. Frage 11 stellt somit
eine Kontrollfrage sowohl zu Frage 9 als auch zu Frage 10 dar.
Frage 12 beschließt den allgemeinen Teil des Fragebogens und ermittelt die
Bedeutung der Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik,
die in Tinnefeld (2002) postuliert worden ist. Diese Frage hebt zum einen ab
auf die Dringlichkeit der Anstrengungen, die in Zukunft im Hinblick auf die
weitere Etablierung dieses Faches betrieben werden müssen. Die Frage verharrt
jedoch nicht auf diesem Niveau, sondern gibt zum anderen auch Auskunft über den
persönlichen Reflexionsstatus der einzelnen Befragten: Erachten sie Prüfungen
als wichtig und haben sie ihre Bedeutung erkannt, so werden sie mit Sicherheit
die frühere Nichtexistenz des Faches Prüfungsdidaktik
als Manko empfinden und seine Schaffung als wichtig einstufen. Diskrepanzen
innerhalb dieses Fragenkomplexes lassen somit nicht zuletzt Rückschlüsse auf
die Art der Hinterfragung der Prüfungstätigkeit der einzelnen Befragten zu.
Zusätzlich zu diesen Aspekten dient diese Frage auch als Kontrollfrage zu Frage
9.
Frage 18 präzisiert und konkretisiert die potentiell positive Einstellung der
Prüfer zu mündlichen Prüfungen, indem verschiedene relevante Teilaspekte dieser
zur Wahl gestellt werden. Um den Befragten die Möglichkeit der eigenen
Präzisierung zu geben, wird ein Ergänzungsfeld für eigene Formulierungen
angeboten. Dadurch kann die Frage von den Antwortenden auch in eine negative
Dimension transferiert werden - für den Fall, dass mündliche Prüfungen diesen
keine Freude bereiten. Dies bedeutet, dass in der Frage nicht bereits die
möglichen Antworten präjudiziert werden, sondern dass auch ein Null-Ergebnis
oder ein negatives Ergebnis - „die Prüfungen bereiten mir keinerlei Freude“ - ausgedrückt werden kann. Dieser Aspekt ist fragebogentechnisch von Bedeutung,
da durch seine Berücksichtigung die mögliche Beeinflussung der Befragten durch
zu enge Vorgaben vermieden wird. Zudem können in der Rubrik Andere Angaben auch weitere Quellen der
positiven Einstellung zu mündlichen Prüfungen verbalisiert werden - auch dies
ein Gesichtspunkt, der die prinzipielle Offenheit der Fragestellung
unterstreicht und die vorliegende Frage zu einer der wichtigsten des Fragebogens
werden lässt.
In Frage 45 wird die affektive
Haltung der Prüfer hinsichtlich des Prüfungstyps Klausur erhoben. Mit Hilfe dieser Frage sollen unterschiedliche
Gesichtspunkte beleuchtet werden. So soll auf der einen Seite ermittelt
werden, ob Prüfer aus den Klausuren ihrer Prüflinge eine gewisse
Selbstbestätigung ableiten (vgl. Antwortalternativen A und B). Des Weiteren
soll herausgefunden werden, ob Prüfer die Klausuren in der Weise nutzen, guten
Studierenden die Möglichkeit der Profilierung zu geben (vgl. C). Wenn guten
Prüflingen die Möglichkeit gegeben wird, sich zu profilieren, so bedeutet dies
nichts Anderes, als dass diese von ihren Prüfern in besonderer Weise gefördert
werden. Antwortalternative D in Frage 45 ist auf die potentielle Freude
bezogen, die Prüfer in der Bewertung ihrer Prüflinge empfinden.
Antwortalternative E ist bewusst ambig gehalten: Die mögliche Nutzung von
Klausuren „zu pädagogischen Zwecken“ mag einerseits prüflingsfördernder Weise
verstanden werden; sie kann jedoch auch - im Sinne von „disziplinarischen“
Maßnahmen - in der Weise interpretiert werden, dass Klausuren dazu verwendet
werden, Notendruck auf die Prüflinge auszuüben. Diese Antwortalternative konnte
leider nicht eindeutig formuliert werden, da diese letzte Implikation mit
großer Wahrscheinlichkeit von den Befragten ohnehin nicht „ehrlich“ beantwortet
worden wäre: Welcher Prüfer würde zugeben, dass er die Festsetzung von Noten in
einer solchen, repressiven Art und Weise nutzen würde?! Eine Disambiguierung dieser
Antwortalternative wird - bei entsprechenden Antwortkonstellationen -
gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Fragen möglich, jedoch ausschließlich
in der Sichtung der individuellen Ergebnisse der Befragten - eine Perspektive,
die jedoch in der vorliegenden Arbeit ausgeblendet wird. Auch bei dieser Frage
sind Mehrfachnennungen möglich, so dass potentielle Tendenzen der Beantwortung
aus solchen Mehrfachnennungen heraus zu interpretieren sind. Ebenso besteht
die Möglichkeit der Formulierung persönlicher Zusätze, die angesichts der
erheblichen Band-breite dieser Frage dringend vonnöten ist.
Frage 53 ist mit Blick auf die vorgegebenen Antwortalternativen in
identischer Formulierung zu den Fragen 18 und 45 gestaltet. Auf diese Weise ist
es möglich, diese drei Fragen in direkter Linie miteinander zu vergleichen.
Grundvoraussetzung für diese identische Formulierung ist das Faktum, dass die
hier evozierten Einstellungen auf alle drei Prüfungstypen angewandt werden
können. Aufgrund dieses Teils der Fragebogenkonzeption sind interessante
Ergebnisse hinsichtlich der affektiven Einstellung der Prüfer zu erwarten.
3.2. Auswertung
des Fragebogens
3.2.1 Vorbemerkungen
An dieser Stelle sei zunächst allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen an
dieser Befragung nachdrücklich gedankt.
Der erste Gesichtspunkt, der der vorliegenden Auswertung zugrunde liegt,
bezieht sich auf die Befragten selbst.
3.2.2 Population
Die Population der befragten Prüfer an deutschen Hochschulen teilt sich nach
deren Geschlecht wie folgt auf:
Diese Werte[3] besagen,
dass die Anzahl der an der Fragebogenaktion teilnehmenden Prüferinnen etwa
doppelt so hoch ist wie diejenige der teilnehmenden Prüfer. Dies bedeutet,
dass der Einfluss der Frauen auf die hier ermittelten Ergebnisse in etwa
doppelt so hoch ist wie der Einfluss der Männer. Diese Aussage ist zwar nicht
weitergehend interpretierbar - und sie wird hier auch nicht weiter interpretiert
-, sie mag jedoch in dem einen oder anderen Falle von den Lesern implizit mit
in Betracht gezogen werden können.
In Bezug auf die Anzahl der Dienstjahre der befragten Prüfer und
Prüferinnen ergeben sich die folgenden Verhältnisse:
Abb. 36: Dienstjahre
der Prüfer
Über zehn und mehr Dienstjahre verfügt mehr als ein Drittel (35,2 %;
vgl. Antwortalternative E) der Befragten. Über mehr als fünf Dienstjahre
verfügen mehr als zwei Drittel (fast 67,0 %; vgl. C-E) der befragten Prüfer.
Über weniger als zwei Dienstjahre - also über eine recht geringe Erfahrung in
Lehre und Prüfung - verfügen lediglich 14.2 der Befragten (vgl. A).
Insgesamt besteht unsere Population somit aus Prüferinnen und Prüfern,
die eine erhebliche Berufserfahrung aufzuweisen haben. Die auf der Basis dieser
Erfahrung erhobenen Aussagen können somit gesamthaft als zuverlässig
klassifiziert werden - ein Ergebnis, das der vorliegenden Befragung Gewicht
verleiht.
Mit Blick auf die Position der Befragten im Hierarchiegefüge der
deutschen Hochschule kristallisiert sich das folgende Bild heraus:
Unter den Befragten ist etwas weniger als ein
Drittel (32,33 %; vgl. A-C) Professor
oder Professorin, etwas mehr als zwei Drittel (67,4 %; vgl. D-F) dagegen dem
akademischen Mittelbau zugehörig. Angesichts der Tatsache, dass die
vorliegenden Umfrage nicht nur an philologische Seminare, sondern gerade auch
an hochschulische Sprachenzentren gerichtet war und an diesen ja so gut wie
keine Professoren arbeiten, ist der Anteil an Professoren und Professorinnen
hier als relativ hoch einzuschätzen[4].
Zudem ist das Verhältnis von Lehrstuhlinhabern (C 4 / W 3-Stellen) und C 3 / W
2-Professoren nahezu identisch, wobei der hohe Anteil an Lehrstuhlinhabern sehr
positiv zu werten ist: Diese stellen nahezu die Hälfte der in der Umfrage
vertretenen Professoren, was auf ihre Aufgeschlossenheit hinsichtlich des
Gegenstandes dieser Befragung verweist.
Innerhalb des Mittelbaus sind Lektoren bzw.
Lehrkräfte für besondere Aufgaben (vgl. D) einerseits und Wissenschaftliche
Mitarbeiter (vgl. F) andererseits mit 26,1 % bzw. 30,6 % in recht ähnlicher
Verteilung vertreten, wohingegen Akademische Räte bzw. Studienräte im
Hochschuldienst lediglich einen Anteil von 10,7 % ausmachen. Diese quantitativen
Verhältnisse spiegeln durchaus die Realität wider, da diese letzte Gruppe
institutionell ein Auslaufmodell darstellt. In der Arbeitswirklichkeit sind die
Tätigkeitsbereiche aller drei, hier unter dem Begriff Mittelbau subsumierten
Dozententypen als durchaus vergleichbar einzustufen.
In Bezug auf die hochschulischen
Einrichtungen, an denen die Befragten arbeiten, ergeben sich die folgenden
Verhältnisse[5]:
Mit einem Anteil von mehr als zwei Dritteln (69,1 %; vgl. A und B)
arbeiten die Befragten an universitären philologischen Seminaren. Am zweithäufigsten
sind sie an universitären Sprachenzentren tätig (18,9 %; vgl. C), weit weniger
häufig dagegen an Sprachenzentren von Fachhochschulen (8,64 %; vgl. D). Dieser
niedrigere Wert verweist auf das Faktum, dass nicht jede Fachhochschule ein Sprachenzentrum
aufweist, jedoch die breite Mehrheit der Universitäten über eine solche
Einrichtung verfügt. Der Wert von 0,54 %, der für Vertreter von philologischen
Seminaren an der Fachhochschule ermittelt werden konnte, kann hier
vernachlässigt werden: Er erklärt sich daraus, dass diese Einrichtungen an
Fachhochschulen so gut wie inexistent sind.
Im Zusammenhang mit Frage 3 ergibt sich zu Frage 4 hier eine
interessante Interpretation: Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass unser
Fragebogen in etwa zu gleichen Teilen an philologische Seminare und an Sprachenzentren
versendet wurde, entsteht hier der Eindruck, dass solche Prüfer, die an
philologischen Seminaren arbeiten, ein größeres Interesse an Prüfungen zu haben
scheinen als solche Prüfer, die an Sprachenzentren tätig sind. Dieser Befund
mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen; er ist es jedoch weniger,
wenn man sich die folgenden beiden Aspekte vergegenwärtigt:
- Solchen Prüfungen, die an philologischen Seminaren durchgeführt werden, kommt im Allgemeinen mehr berufliche Relevanz für die Studierenden zu als Prüfungen, die an Sprachenzentren abgehalten werden, da an Letzteren vorwiegend Zusatzqualifikationen erworben werden. An philologischen Seminaren hat jeder Prüfer somit ungleich mehr Verantwortung gegenüber seinen Studierenden und - somit auch gegenüber seinen Prüflingen -, als dies an Sprachenzentren gemeinhin der Fall ist;
- Für Mitarbeiter an Sprachenzentren besteht in aller Regel ein geringerer Bedarf danach, einen persönlichen Zugang zu den eigenen Prüfungen und dem eigenen Prüferverhalten zu finden, als dies an anderen hochschulischen Einrichtungen der Fall ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass dank des UNIcert®-Verbundes - dem viele Sprachenzentren angehören und in dessen Kontext seit vielen Jahren intensive Reflexionen zu den Bereichen Prüfungen und Prüfungsverfahren angestellt werden - bei den an Sprachenzentren tätigen Dozenten zum einen ein höherer Informationsstand über die entsprechenden Zusammenhänge vorausgesetzt werden kann, zum anderen jedoch eine geringere Dringlichkeit zu bestehen scheint, Reflexionen über die eigenen Prüfungen anzustellen, da deren prinzipieller Rahmen ja durch UNIcert® vorgegeben wird.
Die von uns erhobenen Zahlen suggerieren, dass es in Zukunft geraten
sein wird, für die an Sprachenzentren tätigen Dozenten - und Prüfer - eine noch
höhere Bewusstheit als bisher für die Bedeutung von Prüfungen zu schaffen: Eine
Integration in das UNIcert®-Konzept allein kann die individuelle
Reflexion des einzelnen Prüfers im Hinblick auf die allgemeinen und speziellen
Probleme, die mit Planung und Durchführung von Prüfungen verbunden sind, nicht
ersetzen.
In dem nunmehr zu behandelnden Fragenkomplex geht es um Informationen zu
allgemeinen Gesichtspunkten von Prüfungen.
3.2.3 Allgemeine Aspekte von Prüfungen
Die erste Frage dieses Themenkomplexes hebt auf die Anzahl der Prüflinge
ab, die ein gegebener Prüfer pro Semester hat - unerheblich davon, um welchen
Prüfungstyp es sich dabei handelt. Dabei ergaben sich die folgenden Werte:
27,7 % der Prüfer - also die
relative Mehrheit - hat 26 bis 50 Prüflinge pro Semester (vgl. D). Bis zu der doppelten
Anzahl an Prüflingen - also zwischen 51 und 100 - haben 24,4 % der Befragten (vgl.
E). 20,5 % der Befragten - ein wenig mehr als ein Fünftel - prüfen mehr als 100
Studierende pro Semester (vgl. F). 20,0 % der Befragten, also nahezu ebenso
viele, führen mit 11 bis 25 Studierenden Prüfungen durch (vgl. C). Nur 1,66 %
der Befragten verfügen über weniger als fünf Prüflinge pro Semester (vgl. A).
Aus diesen Zahlen ergibt sich,
dass 44,9 % der Befragten mit 51 Prüflingen pro Semester einer hohen Arbeitsbelastung
ausgesetzt sind. Mehr als 100 Prüflinge weisen davon auf einer nach oben
offenen Skala 20,5 % der befragten Prüfer auf (vgl. E und F). Der Eindruck
einer erheblichen Arbeitsbelastung verstärkt sich noch, wenn man zugrunde legt,
dass Prüfer mit einem Prüfling in vielen Fällen ja nicht nur eine Prüfung pro
Semester haben, sondern dass dies durchaus mehrere Prüfungen sein können (z.B.
eine Klausur und eine mündlichen Prüfung oder eine Bachelor-Arbeit und eine Klausur).
Daraus folgt, dass mindestens ein Fünftel - jedoch realistischerweise nahezu
zwei Fünftel - der Befragten ein Prüfungsaufkommen zu bewältigen haben, dessen
Umfang an einer qualitativ hochstehenden Durchführung Zweifel aufkommen lässt.
Zudem scheint eine effiziente Betreuung der Prüflinge angesichts solcher Zahlen
kaum möglich. Dass ein solches Ergebnis zu denken gibt, bedarf im Grunde keiner
ausdrücklichen Erwähnung.
Eine weitere zentrale Frage betrifft die hauptsächlich geprüfte Sprache:
Abb. 40: Geprüfte Sprachen
Als die am häufigsten geprüfte Sprache erweist sich mit 60,4 % das
Englische (vgl. A). Dieses Ergebnis spiegelt die Realität der deutschen
Hochschullandschaft wie auch den Rang des Englischen als Schulfach wider. In
seiner Deutlichkeit ungleich überraschender ist das Ergebnis, nach dem das
Französische mit 17,0 % (vgl. B) mit deutlichem Abstand vor dem Spanischen
(8,29 %; vgl. C) rangiert. In ähnlicher Weise frappant ist der knappe
Unterschied, der zwischen dem Spanischen und dem Italienischen (7,8 %; vgl. D)
existiert. In den Werten für diese drei Fremdsprachen findet sich - anders als
für das Englische - die hochschulische Realität kaum widergespiegelt. Eine
Erklärungsmöglichkeit dieses Ergebnisses liegt jedoch in dem Faktum, dass
sowohl an den philologischen Seminaren der Universitäten als auch
an hochschulischen Sprachenzentren die Personalstruktur in den vergangenen Jahren nicht an die steigende Beliebtheit
des Spanischen angepasst worden ist. Somit stehen für diese Sprache in aller Regel
nicht ebenso viele Dozenten zur Verfügung wie für das Französische, was sich in
unseren Werten durchaus widerspiegelt.
In Bezug auf die Distribution der befragten Prüfer auf die verschiedenen
Teilfächer ergab sich das folgende Bild[6]:
Mehr als ein Viertel der Befragten (27,9 %; vgl. A.) prüft im Teilfach Linguistik. Ein nahezu ebenso großer
Anteil Befragter (25,5 %) prüft in dem Bereich Sprachpraxis (vgl. E). Im Teilfach Literaturwissenschaft prüfen etwas mehr als ein Fünftel der von uns
befragten Prüfer (21,8 %; vgl. B). Die Fachdidaktik
(11,8 %; vgl. C) und die Landeswissenschaft
(9,0 %; vgl. D) stellen mit einem Umfang von etwas mehr bzw. etwas weniger als
einem Zehntel der Prüfungen die im Kontext dieser Befragung unwichtigsten
Teilfächer dar.
Unterstellt man die traditionell bisweilen angewandte Unterscheidung
dieser Teilfächer in wissenschaftliche und sprachpraktische Anteile, weisen die
wissenschaftlichen Teilfächer einen Anteil von 70,5 % auf (vgl. A-D); die
Sprachpraxis weist einen Anteil von 25,5 % auf (vgl. E). In der vorliegenden
Befragung kann somit eine klare Betonung der wissenschaftlichen Teilfächer
festgestellt werden. Dieses Ergebnis ist als eine Bestätigung von Frage 4 nach
den Instituten, an denen die Befragten beschäftigt sind, zu werten: Auch im
Hinblick auf die Institute konnte ein deutliches Übergewicht der Philologien
gegenüber den Sprachenzentren festgestellt werden. Somit erweisen sich im
Kontext der hier in aller Kürze referierten Untersuchung die Fragen 4 und 7
zuverlässig als gegenseitige Kontrollfragen.
Dieses Ergebnis bestätigt folgerichtig die im Rahmen von Frage 4
herausgefundene Erkenntnis, nach der Dozenten der traditionellen philologischen
Teilfächer ein größeres Interesse an Prüfungen aufzuweisen scheinen als
Dozenten, die Sprachpraxisprüfungen abnehmen. Diese Dozentengruppe - so
scheint es - hat bisher kein befriedigendes Bewusstsein entwickelt hinsichtlich
der permanenten Hinterfragung der eigenen Prüfungen mit dem Ziel von deren stetiger
Optimierung: Dozenten, die ihr eigenen Prüfungen reflektieren, nehmen an
Befragungen wie der vorliegenden teil[7].
Bei den übrigen Dozenten mag mangelndes Problembewusstsein für deren Nichtteilnahme
- zumindest partiell - eine Rolle gespielt haben.
Die für die Fragen 4 und 7 ermittelten Ergebnisse sind sowohl für die
vorliegende Erhebung als auch in Bezug auf die Prüfungsrealität weiterhin im
Auge zu behalten. Die Distribution der in den philologischen Teilfächern
einerseits und im Bereich Sprachpraxis
andererseits tätigen Dozenten ist hier zwar nicht weitgehend identisch, was in
der vorliegenden Untersuchung auch keineswegs angestrebt wird[8].
Für uns von Bedeutung ist jedoch die eigentliche Ermittlung einer solchen
Distribution mit dem Ziel, zu erfahren, wie sie sich darstellt. Das hier
ermittelte Ergebnis, dass im Bereich Sprachpraxis tätige Prüfer (noch) mehr für
Prüfungen sensibilisiert werden müssen als solche, die in den Philologien tätig
sind, ist als solches bedeutungsvoll.
Hinsichtlich der Typen von Prüfungen, die von dem Befragten abgenommen
werden - eine Frage, bei der ebenfalls Mehrfachnennungen möglich waren, so dass
hier recht hohe absolute Werte vorliegen ergab sich das folgende Bild:
Abb. 42:
Geprüfte Bereiche
Für den Bereich der fremdsprachlichen Philologien konnte dabei ein
Anteil von 72,7 % (vgl. A, C, D und E) ermittelt werden, für die an
Sprachenzentren angebotenen sprachpraktischen Prüfungen dagegen lediglich ein
Anteil von 18,8 % (vgl. B und F). Dabei werden hier die Ergebnisse der Fragen 4
und 7 gespiegelt. Von besonderem Interesse ist hier das Teilergebnis, nach dem
mündliche Staatsprüfungen zum einen und Staatsexamens- / Diplomarbeiten zum
anderen mit je 19 % eine identische Verteilung aufweisen (vgl. A und C). Die
befragten Prüfer sind somit in diesen Bereichen in vergleichbarer Weise tätig[9].
Im Bereich der Sprachpraxis ist weiterhin die Differenz zwischen
Sprachklausuren (12,95 /; vgl. F) einerseits und mündlichen Sprachprüfungen
(5,9 %; vgl. B) andererseits von Bedeutung. Diese beiden Teilergebnisse verweisen
auf diejenigen Bereiche, in denen künftige Forschung am aussichtsreichsten sein
mag: bei Fach-/Examensklausuren, mündlichen Abschlussprüfungen und
Abschlussarbeiten (Staatsexamen/Diplom und Bachelor/Master)[10].
Wir kommen nunmehr zu dem Komplex der Einstellungen der Befragten zu
ihrer Tätigkeit als Prüfer.
3.2.4 Einstellungen
der Prüfer
Die folgenden Analysen beziehen sich auf die
Einstellungen der Befragten zum Prüfen. Dabei geht es um das Prüfen im
Allgemeinen, um emotionale Faktoren, die mit Prüfungen im Zusammenhang stehen
wie auch um das Verhältnis zwischen Prüfer und Prüfling.
Vor der eigentlichen Darstellung der
ermittelten Ergebnisse ist es jedoch unerlässlich, einige kurze Anmerkungen zu
dem Begriff Einstellung zu machen.
3.2.4.1 Prüfereinstellungen - terminologische Vorbemerkungen
Voraussetzung für eine
zuverlässige Arbeit mit dem Begriff Einstellung
ist eine Definition des Begriffs[11].
Diese kann wie folgt aussehen:
Psychologie, Soziologie: durch frühere Erfahrungen und kulturelle, milieubedingte, erzieherische Einflüsse herausgebildete verinnerlichte Haltung gegenüber allen sozialen, psychischen, kognitiven, normativen u. a. Phänomenen, die auf das Verhalten und Handeln einwirkt.(http://lexikon.meyers.de/meyers/Einstellung#Psychologie.2C_Soziologie:_durch_fr.C3.BChere_Erfahrungen_und_kulturelle.2C_; 26.01.2008)).
Der vorliegende Begriff soll im gegebenen
Zusammenhang in dieser Bedeutung verstanden und ebenso verwendet werden. Er
wird hier somit in umfassender Ausrichtung gesehen: als eine Haltung, die bei
unseren Befragten aus den unterschiedlichsten Erfahrungen und Einflüssen generiert
worden ist und sich ihrerseits auf all diejenigen Phänomene beziehen lässt, die
deren Verhalten und deren Handeln (mit)bestimmt. Die in der Definition angesprochenen
Typen von Phänomen sind dabei unmittelbar auf den Komplex Prüfung anwendbar. So betreffen soziale Phänomene beispielsweise
das Verhalten des Prüfers zu seinen Kollegen oder zu seinen Prüflingen und erstrecken
sich auf das jeweils von beiden Seiten erwartete Rollenverhalten. Psychische
Phänomene beziehen sich beispielsweise auf den jeweils aktuellen Stressfaktor,
dem Prüfer und Prüflinge in einer gegebenen Situation ausgesetzt sind.
Normative Phänomene können zum Beispiel für die organisatorischen Gegebenheiten
der Prüfungssituation relevant sein. Einige der hier angesprochenen Aspekte
sollen im Folgenden auf der Basis unserer Daten einer näheren Analyse zugeführt
werden.
3.2.4.2
Allgemeine Einstellungen zu Prüfungen
Die erste Frage zu diesem Komplex betrifft die Affinität der
Prüfer zu Ihrer Prüfungstätigkeit und ist die allgemeinste ihrer Art. Sie
stellt den Hintergrund dar, auf dem die weiteren Fragen, die sich auf diesen
Objektbereich erstrecken, zu interpretieren sind:
Etwa zwei von fünf Prüfern (42,2 %; vgl. B) üben ihre Tätigkeit gern aus. Zusammen mit einem Anteil von 15.5 % der Befragten, die sehr gern prüfen (vgl. A), beträgt der Anteil der Befragten, die ihre Prüfungstätigkeit mit Freude ausüben, 57,5 %. Dies ist ein bedeutsames Ergebnis. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit darin, dass derjenige, der eine Arbeit mit Freude verrichtet, diese in qualitativ hochwertiger Weise erledigt. Derjenige hingegen, der eine Arbeit ungern oder mit einer gewissen Aversion ausübt, verrichtet diese tendenziell in weniger befriedigender Qualität. Auf dem Hintergrund dieses Zusammenhangs stellt das Faktum, dass fast sechs von zehn Prüfern eine derart positive Einstellung zu Prüfungen haben, ein erfreuliches Ergebnis dar. Umgekehrt kann jedoch vermerkt werden, dass dies etwa
vier von zehn Prüfern zu wenig sind: Es gibt - trotz dieses guten Resultats -
noch zu viele Prüfer, deren Einstellung zu ihrer Arbeit verbesserungswürdig
ist. Im Einzelnen ergeben sich für diese die folgenden Ergebnisse.
Etwa ein Drittel der Befragten
(33,8 %; vgl. C) weist eine indifferente Einstellung zu Prüfungen auf - ein
Ergebnis, das nachdenklich stimmt: Diese indifferenzierte Einstellung
impliziert das Fehlen einer klaren Position zu einem gegebenen Phänomen oder
einem gegebenen Sachverhalt. Eine mit einer solchen Haltung getane Arbeit wird
nur in seltenen Fällen mit vollem Engagement verrichtet. Vielmehr wird sie mehr
oder minder halbherzig erledigt, ohne das Bestreben der Erzielung des
bestmöglichen Ergebnisses. Dieser Zusammenhang lässt deutlich werden, dass hier
noch eine erhebliche Imageverbesserung von Prüfungen notwendig ist: Die
Prüfungsdidaktik wird sich in Zukunft prioritär um diese Gruppe von Prüfern zu
kümmern haben, um ihnen zu verdeutlichen, dass ihre Prüfungstätigkeit mit einer
erheblichen gesellschaftlichen, individuellen und nicht zuletzt auch moralischen
Verant-wortung einhergeht - mit einer Verantwortung also, die nicht mit einer
Haltung der Indifferenz vereinbar ist. Nur verantwortliches Prüfen mit einer
entsprechenden, die enorme Relevanz dieser Arbeit reflektierenden Einstellung
kann deren Bedeutung gerecht werden. Nur unter dieser Bedingung sind Prüfungen
für die Prüfer selbst, für ihre Prüflinge, für die Hochschule, an der die
Prüfungen stattfinden und letztlich auch für die Gesellschaft von Nutzen.
Eine negative Einstellung zu
Prüfungen weisen 7,77 % der Befragten auf (vgl. D) – ein Wert, der im Rahmen
der vorliegenden Untersuchung als positiv gewertet wird, da er relativ niedrig liegt.
Ausgehend von einem gedachten Idealfall, in dem jeder Prüfer seine Arbeit gern
verrichtet, ist jedoch auch diese Zahl noch zu hoch. In diesem Zusammenhang
muss jedoch das Faktum berücksichtigt werden, dass eine akademische Arbeit an
der Hochschule in der breiten Mehrzahl der Fälle gleichsam automatisch
Prüfungstätigkeiten einschließt. Für die betreffenden Hochschullehrer und
Dozenten existiert in dieser Hinsicht keinerlei Wahlmöglichkeit. Ob ein Dozent
gern als Prüfer agiert oder nicht, ist angesichts dieser Sachlage leider kaum
von Bedeutung: Es wird kaum ein Dozent seine neue Hochschulstelle nicht antreten, nur weil er nicht gern
als Prüfer arbeitet.
Über diese Gesichtspunkte hinaus
ist eine weitere Überlegung in Betracht zu ziehen: Auch derjenige, der eine
negative Einstellung zu einem gegebenen Phänomen hat, hat zumindest eine
Meinung. Dieses Faktum an sich ist - im Vergleich zu potentieller Indifferenz -
bereits positiv zu werten.
Die für diese Frage ermittelten
Ergebnisse und ihre Analyse weisen der Prüfungsdidaktik eine weitere wichtige
Aufgabe zu: Diese besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass solchen
Hochschulprofessoren und -dozenten, die nicht gern als Prüfer arbeiten, auf
legitime Art und Weise die Möglichkeit gegeben wird, gar keine oder nur (sehr)
wenige Prüfungen abzunehmen. Umgekehrt sollten diejenigen Professoren und Dozenten,
die gern prüfen, die Möglichkeit erhalten, in der Tat mehr Prüfungen
durchzuführen. Für die Umsetzung dieses Vorschlages wird es in Zukunft
notwendig sein, Prüfungen - einschließlich deren Planung und Durchführung - als
hochwertiges akademisches Instrument anzusehen und sie mit entsprechender
Reputation wie auch mit entsprechenden positiven Sanktionen - wie
beispielsweise Lehrdeputatsreduktionen - auszustatten: Wer mehr prüft, sollte
dafür adäquat entschädigt werden.
Zudem wird es in Zukunft
erforderlich sein, den Grundpfeilern hochschulischer Arbeit - der Forschung
und der Lehre - einen dritten, gleichberechtigten Pfeiler an die Seite zu
stellen, somit von einer Dreigliedrigkeit von Forschen, Lehren und Prüfen auszugehen und diese wirksam zu
institutionalisieren. Daher sollte die Bereitschaft von Hochschuldozenten, für
Prüfungen zur Verfügung zu stehen, und deren Leistungen als Prüfer als ein
Element anerkannt werden, das positive Auswirkungen auf deren
Qualifikationsprofil hat und ihnen bei Bewerbungen und Beförderungen zuträglich
ist. Dies sollte nicht im Sinne einer „Bestrafung“ potentiell weniger guter
Prüfer geschehen, sondern einzig und allein in positiver Weise: als Belohnung
für gute und fleißige Prüfer[12].
Nur bei Erfüllung der hier
geschilderten Bedingungen wird es in Zukunft möglich sein, Prüfungen den ihnen
zukommenden Wert und die ihnen gebührende Bedeutung auch im praktischen
akademischen Leben zukommen zu lassen. Unsere Reflexionen mit all ihren
Implikationen enthalten somit nicht zuletzt ein erhebliches
hochschulpolitisches Potential.
Im Anschluss an diese Analyse der
allgemeinen Einstellungen der von uns befragten Prüfer stehen im Folgenden die
emotionalen Faktoren von Prüfungen im Mittelpunkt.
3.2.4.3
Emotionale Faktoren von Prüfungen
Der erste emotionale Faktor, der im Rahmen
der Erforschung der Einstellung zu Prüfungen erhoben wird, ist derjenige einer
möglicherweise positiven affektiven Komponente. Bezugspunkt sind dabei zunächst
mündliche Prüfungen:
Abb. 44: Positive
affektive Komponente von Prüfungen
Die effiziente Testung des Wissens der
Prüflinge weist unter den gegebenen Antwortalternativen mit 45,4 % den höchsten
Zuspruch auf (vgl. B). Die Chance der Prüfer, die eigenen Prüflinge zu guten
Leistungen führen zu können, erweist sich mit 37,6 % als die zweitwichtigste
Antwortalternative (vgl. A). Die Möglichkeit der Vornahme einer Selektion unter
den Prüflingen bereitet lediglich etwas weniger als einem Zehntel der Befragten
Freude (9,09 %; vgl. C). Der weitaus geringste Anteil kommt der Möglichkeit zu,
Freude auf der Basis dessen zu empfinden, die eigenen Qualitäten als
Hochschullehrer herausstellen zu können (2,89 %; vgl. D)[13].
Die hier ermittelten Ergebnisse sind im
Hinblick auf die sich aus ihnen ergebenden Details aufschlussreich. Sie machen
- über die Erfragung der emotionalen Komponente hinaus - die Nutzung mündlicher
Prüfungen durch die Prüfer transparent. Prüfer können es in mündlichen
Prüfungen als positive Herausforderung an die eigenen Examinierfertigkeiten
ansehen, ihre Fragen so gewandt zu verbalisieren, dass sie einen zuverlässigen
Einblick in die (hohe) Qualität des Wissens ihrer Prüflinge erlangen. Die
Umsetzung dieser Herausforderung kann - besonders dann, wenn sie zum Zwecke
einer möglichst effizienten Erarbeitung des geprüften Sachgebietes erfolgt -
eine beachtliche Freude mit sich bringen[14].
In diesem Szenario haben sie ein Interesse daran, durch vorsichtige, immer
weiter gehende Fragen immer mehr Wissen in ihren Prüflingen zu aktivieren - und
im Idealfall durch von diesen erbrachte Transferleistungen während der Prüfung
sogar zu generieren. Gelingt dies, so sehen sie darin zugleich eine Bestätigung
der Effizienz der eigenen Fragekunst und finden dann zusätzlich in ihrer
Prüfertätigkeit eine gewisse persönliche Selbstbestätigung.
Während in Antwortalternative B die
Gewandtheit des Fragens thematisiert wird, steht in Antwortalternative A das
Bemühen im Vordergrund, bei den Prüflingen möglichst gute Leistungen zu
evozieren. Diese Möglichkeit der Prüfer zu direkter Einflussnahme - von der
realistischerweise ausgegangen werden muss, auch wenn sie aus methodischen
Gründen natürlich nicht wünschenswert sein kann - ist in mündlichen Prüfungen
naturgemäß besonders groß. Da eine negative Intervention - also die Generierung
schlechter Leistungen bei den Prüflingen - prinzipiell umgekehrt ebenso möglich
ist, ist die Tatsache, dass diese positive Antwortalternative in dieser Frage
auf dem zweiten Rangplatz steht, als erfreulich zu werten.
Mündliche Prüfungen werden lediglich von etwa
einem Zehntel der Befragten als ein unmittelbares Instrument der Selektion
wahrgenommen. Wenn das Selektionsprinzip auch aus keiner Prüfung wirklich
ausgeblendet werden kann, stellt es doch einen erheblichen Unterschied dar, ob
Prüfer dieses Prinzip als vordringlich betrachten oder nicht. Aus unseren
Ergebnissen ist ersichtlich, dass die Mehrzahl unserer Befragten dies nicht tut. Dieses Teilergebnis ist
ebenfalls als erfreulich zu werten.
Der Umstand, dass lediglich eine verschwindend
geringe Anzahl unserer Befragten sich selbst - und nicht den Prüfling - als
Mittelpunkt mündlicher Prüfungen empfindet, spricht zusammen mit dem Phänomen,
dass keiner von ihnen nach eigener Aussage im Rahmen mündlicher Prüfungen
seinem Kollegen imponieren will, zusätzlich für eine Zentrierung auf den
Prüfling und somit dafür, dass dessen Schicksal den Prüfern durchaus am Herzen
liegt[15].
Die zu der vorhergehenden analoge Frage nach den positiven emotionalen Auswirkungen des Prüfungstyps Klausur stellt sich in den gegebenen Antworten wie folgt dar:
Abb. 45: Positive
affektive Komponente des Prüfungstyps Klausur
Die Bestätigung der unterrichtlichen
Bemühungen der Befragten in den Prüfungsergebnissen ist mit 38,9 % die am
häufigsten genannte Antwortalternative
(vgl. A), gefolgt von der Möglichkeit der Profilierung, die Studierenden
potentiell in Klausuren gegeben wird (28,2 %; vgl. C). Im Vergleich zu diesen
beiden Teilergebnissen ist die mögliche Nutzung von Klausuren zu pädagogischen
Zwecken (12,5 %; vgl. E) und zur Bewertung der Prüflinge (11,9 %; vgl. D) von
ungleich geringerer Bedeutung. Mit einem Anteil von 4,7 % als weitgehend
unbedeutend kann schließlich die mögliche Widerspiegelung der Qualität des
Prüfers als Dozent eingestuft werden (vgl. B).
Ein wichtiges - wenn auch nicht prioritär
prüfungsdidaktisches - Teilergebnis dieser Frage liegt darin, dass die
Befragten durchaus bemüht sind, ihren Unterricht so effektiv wie möglich aufzubauen,
und dass sie erkennen, dass die Klausuren den sie vorbereitenden Unterricht
durchaus im Sinne einer Feedback-Funktion zu spiegeln vermögen. Dieses Ergebnis
ist zudem ein Ausweis einer hochgradigen Selbstreflexion der Prüfer - und
dieses Phänomen ist durchaus
prüfungsdidaktisch relevant (vgl. A).
Die Förderung guter Studierender ist für
jeden vierten Befragten von Relevanz und verweist auf die intensive Interaktion
zwischen Dozenten und Studierenden, die in der gegebenen Situation zu Prüfern
und Prüflingen mutieren (vgl. C).
Die Beantwortung der Antwortalternativen D
und E verdeutlicht, dass Bewertung und Benotung für Prüfer durchaus einen Quell
der Freude darstellen können - in unserer Erhebung für 24,4 % der Befragten.
Dieses enge Ineinandergreifen positiver Emotionen einerseits und der Bewertung
von Prüflingen andererseits ist nicht unproblematisch, da beide Elemente streng
voneinander getrennt werden und in sachlich sowie emotional distanzierter Art
und Weise vonstatten gehen sollten: Jegliche emotionale Beteiligung der Prüfer
an Bewertung und Benotung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Letztere nicht in
höchstmöglicher Objektivität erfolgt. Das hier ermittelte Ergebnis etwa eines
Viertels der befragten Prüfer, bei denen diese strikte Trennung hier nicht
zufriedenstellend gegeben ist, verweist auf die Notwendigkeit, Prüfer in
Zukunft auf eine gefühlsmäßig distanzierte Bewertung und eine nicht-emotionale
Vergabe von Noten hin zu schulen.
Im Hinblick auf Wissenschaftliche
Hausarbeiten ergeben sich für die emotionale Komponente die folgenden Resultate:
Abb. 46: Positive
affektive Komponente des Prüfungstyps Wissenschaftliche
Hausarbeit
Die Beantwortung dieser Frage
weist unübersehbare Parallelen zu derjenigen von Frage 45 (s. oben) auf[16].
Dabei ergibt sich jedoch ein Unterschied, da die beiden ersten Rangplätze von
Frage 45 (vgl. A und C) hier in umgekehrter Reihenfolge auftreten. In Frage 53
stellt die Profilierung guter Studierender für die Befragten den wichtigsten
Gesichtspunkt dar. Das Kriterium der Bestätigung der Unterrichtsbemühungen der
Prüfer tritt hier naturgemäß in den Hintergrund: Im Rahmen wissenschaftlicher
Hausarbeiten ist die Prüfungsvorbereitung, wie sie im Rahmen des Unterrichts
stattfindet, von ungleich geringerer Bedeutung als beispielsweise im Falle von
Klausuren oder mündlichen Prüfungen.
Die übrigen Rangplätze finden
sich in den Fragen 45 und 53 in identischer Verteilung. Dabei treten zwar hinsichtlich
einzelner Werte gewisse Abweichungen auf (vgl. D und E), diese kompensieren
sich in ihrer Gesamtheit jedoch[17].
Das Kriterium der emotionalen Involvierung der Prüfer ist somit bei der
Bewertung und Benotung wissenschaftlicher Hausarbeiten zu demjenigen des
Prüfungstyps Klausur weitgehend
analog. Somit stützen sich die zu den Fragen 45 und 53 ermittelten Ergebnisse
gegenseitig.
In diesem Kontext drängt sich die
Frage auf, ob nicht eine anonyme Bewertung sowohl von Klausuren als auch von Wissenschaftlichen
Hausarbeiten, die den Rang von Studienabschlussarbeiten einnehmen oder von
vergleichbarer Bedeutung sind, die bessere Alternative darstellt. Durch diese
Maßnahme würde es möglich, die emotionale Seite von deren Bewertung weitgehend
auszuschließen.
Ebenso vergleichbar - und in
diesem Falle mit 4,7 % (Frage 45) und 4,72 % (Frage 53) sogar nahezu identisch
- ist der Anteil derjenigen Befragten, die die Prüfungsergebnisse ihrer
Studierenden in Wechselwirkung zu ihrer eige-nen Leistung als Dozenten
interpretieren (vgl. jeweils B). Auch in dieser Hinsicht ergibt sich eine
mutuelle Bestätigung sowohl der ermittelten Ergebnisse als auch der daraus
folgenden Interpretation[18].
3.2.5 Die
Bedeutung von Prüfungen und Prüfungsdidaktik
Im Folgenden wollen wir uns zur
Abrundung dieser Kurzdarstellung unserer Befragung dem Gesichtspunkt der
Bedeutung von Prüfungen einerseits und der Bedeutung der Prüfungsdidaktik für
Prüfer andererseits zuwenden. Es geht dabei zum einen darum, festzustellen,
welche Bedeutung die Befragten Prüfungen zumessen, und letztendlich darum, ob
sie die Prüfungsdidaktik als eine wichtige Disziplin ansehen. Die Beurteilung
dieser Fragen ist nicht zuletzt von Bedeutung für die Zumessung des grundsätzlichen
Wertes des Faches Prüfungsdidaktik. Eine
lediglich geringe Wertzuweisung würde für die Prüfungsdidaktik bedeuten, dass
eine weitere Etablierung dieses Faches unnötig und zwecklos wäre. Die im
Folgenden dargestellten und analysierten Fragen sind somit für diese Disziplin
insgesamt von erheblicher Relevanz.
Zunächst kommen wir nun zu der
Wichtigkeit von Prüfungen. Die Befragten messen Prüfungen allgemein die
folgende Bedeutung zu:
Abb. 47: Bedeutung von
Prüfungen
Die größte Gruppe der Befragten -
exakt 47,4 % - schätzt Prüfungen als „wichtig“ ein (vgl. B), dicht gefolgt von
der zweitgrößten Gruppe - 44,1 % -, die Prüfungen als „sehr wichtig“ erachtet
(vgl. A). Lediglich 1,67 % der Befragten beurteilen Prüfungen als „mehr oder
weniger unwichtig“ (vgl. D), und als „unwichtig“ betrachten sie nur 1,11 % der
Befragten (vgl. E). Indifferent gegenüber Prüfungen zeigen sich 4,46 % der
befragten Prüfer.
Dieses Ergebnis bedeutet nichts
Anderes, als dass insgesamt 91,5 % unserer Befragen Prüfungen als wichtig bzw.
sehr wichtig einstufen. Dieses Resultat steht für das Faktum, dass die
Befragten die enorme Bedeutung von Prüfungen erkennen und diese ihnen sehr
bewusst ist. Das Phänomen, dass Prüfungen eine derart große Bedeutung
zugemessen wird, wie dies anhand der vorliegenden Zahlen zum Ausdruck kommt,
ist nicht nur als aussagekräftig, sondern als in nachhaltiger Weise essentiell
und für die weitere Entwicklung der Prüfungsdidaktik als ein gewichtiges Urteil
einzustufen: Prüfungen spielen im Bewusstsein der Prüfer eine wesentliche
Rolle; sie stellen nicht nur einen erheblichen Anteil an der Gesamttätigkeit
der befragten Dozenten dar, sondern vermitteln diesen zudem eine erhebliche
Verantwortung. Dass die Befragten diese Verantwortung sorgfältig zu handhaben
verstehen, wird anhand unserer Daten auf beeindruckende Art und Weise deutlich.
Interpretiert man unsere Zahlen
in umgekehrter Blickrichtung, so erscheinen sie nicht minder eindrucksvoll: Für
nur 2,78 % der Befragten sind Prüfungen (mehr oder weniger) unwichtig (vgl. D
und E). Dies ist in etwa einer unter 35 Prüfern. Diese Zahl lässt das hier
ermittelte Ergebnis als noch eindrucksvoller erscheinen: Prüfer, denen
Prüfungen nicht wichtig sind, stellen lediglich eine unbedeutende Minderheit
dar.
Eine weitere Frage, die in diesem
Zusammenhang interessante Aufschlüsse vermitteln kann, ist diejenige, ob unsere
Befragten gern mehr, ebenso viel, oder lieber weniger Prüfungen durchführen
würden als bisher. Hierfür sind die folgenden Resultate maßgeblich:
Die meisten der Befragten würde
künftig gern ebenso viel prüfen wie bisher (58,1 %; vgl. C), wohingegen 29,9 %
lieber weniger prüfen würden (vgl. D). Im Vergleich gern mehr Prüfungen
durchführen würden 7,34 % der Befragten (vgl. B). Überhaupt keine Prüfungen durchzuführen,
würden 2,25 % der Befragten vorziehen (vgl. E). Dagegen würden 1,12 % der
Befragten gern viel mehr Prüfungen abnehmen als bisher (vgl. A).
Dieses Ergebnis reflektiert eine
hohe Beständigkeit der Befragten hinsichtlich ihrer Prüfungstätigkeit.
Insgesamt 66,6 % würden in Zukunft gern ebenso viele oder gar mehr Prüfungen
durchführen, als es ihrer gegenwärtigen Situation entspricht (vgl. C, B und
A). Lieber weniger oder überhaupt nicht prüfen würde dagegen fast ein Drittel
der Befragten (32,15 %; vgl. D und E). Insgesamt ergibt sich damit ein
Zwei-Drittel- zu Ein-Drittel-Verhältnis von Prüfern, die Ihren Gesamtprüfungsumfang
gern konstant halten oder erweitern würden bzw. die ihren Prüfungsumfang gern
vermindern würden.
Die zu Frage 10 erhobenen
Resultate finden hier ihre Bestätigung: Es besteht kein zufälliger Zusammenhang
zwischen den Fakten, dass die Befragten Prüfungen als wichtig empfinden und
dass sie künftig gern in gleichem oder gar höherem Umfang prüfen würden.
Umgekehrt kann aufgrund unsere Ergebnisse jedoch nicht gefolgert werden, dass
dasjenige Drittel der Befragten, das seine Prüfungstätigkeit quantitativ gern
reduzieren würde, diese Reduktion anstrebt, da Prüfungen für sie nicht von
Bedeutung seien. Diese Feststellung lässt sich auf der Grundlage unserer zu den
Fragen 10 und 11 erhobenen Befunde machen: Prüfungen werden von einer zu großen
Mehr-heit der Befragten als wichtig oder gar sehr wichtig angesehen, um eine
negative Korrelation zwischen dem Wunsch nach Prüfungsreduktion und der Bedeutung
von Prüfungen für die Befragten anzunehmen.
Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der
Befragten gern als Prüfer oder Prüferin arbeitet. Die für Frage 11 ermittelten
Befunde liefern somit eine allgemeine Bestätigung der Ergebnisse zu Frage 9
(vgl. 3.2.4.2). Fragebogentechnisch bedeutet dies zudem, dass die
Kontrollfunktion zwischen den Fragen 9 und 11 gefruchtet hat.
Zum Abschluss der Kurzanalyse
unserer Befragung sei schließlich ein Blick auf die Einschätzung der Prüfer
hinsichtlich der Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik
vorgenommen:
Nahezu die Hälfte aller Befragten
(48,6 %) schätzt die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik
als notwendig und nützlich ein (vgl. B). Als von hoher Dringlichkeit sehen
dessen Schaffung 13,4 % der Befragten (vgl. A).
Für weder notwendig noch unnötig
halten sie 14.5 % der Befragten (vgl. C) und stehen hier für eine Position der
Indifferenz. Nicht unbedingt notwendig ist die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik für 12,8 % (vgl. D);
für nicht notwendig halten sie 5,02 % der Befragten.
Insgesamt erachten somit 62,0 %
der Befragten die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik
als notwendig bzw. dringend notwendig (vgl. A und B). Dem stehen 17,82 %
gegenüber, aus deren Sicht die Schaffung dieses Faches nicht bzw. nicht
notwendig ist (vgl. D und E), und 14,5 % der Befragten, die angesichts dieser
Frage eine gleichgültige Position vertreten. Dieses Resultat repräsentiert ein
klares Votum für die Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik
an deutschen Hochschulen, das nicht ohne Weiteres übergangen werden kann. Die
Prüfungsdidaktik wird in unserer Befragung als eine wissenschaftliche Disziplin
betrachtet, der eine erhebliche Bedeutung zugesprochen wird und somit der
Status eines Faches konzediert werden sollte. Es ist dies ein auf empirischer
Grundlage ermitteltes Resultat, das sich der wissenschaft-lichen Öffentlichkeit
aufgrund seiner Nachhaltigkeit aufdrängt, da es die Meinung einer erheblichen
Zahl qualifizierter Hochschullehrer widerspiegelt, bei denen es sich ja gerade
um diejenige Berufsgruppe handelt, die in ihrem Berufsalltag unmittelbar mit Prüfungen
befasst ist, diese plant und durchführt, und diese Frage somit kompetent zu
beurteilen in der Lage ist.
Dieses Ergebnis stellt nichts anderes
dar als eine eindrucksvolle Bestätigung und Bestärkung unserer Forderung nach
Schaffung des Faches Prüfungsdidaktik
und seiner Fundierung als wissenschaftliche Disziplin, die wir in unserer
Monographie aus dem Jahre 2002 gefordert haben. Aus dem hier ermittelten
Ergebnis folgert somit eine beachtliche Motivation für die Fortführung unserer
Arbeit.
3.3 Fazit der Prüferbefragung
Die vorliegende Kurzanalyse
unserer Prüferbefragung ermöglicht folgendes Fazit, in dessen Rahmen - neben
dem nochmaligen Dank an die Prüferinnen und Prüfer, die an unserer Befragung
teilgenommen haben - zwei generalisierende Bemerkungen vonnöten sind.
Zusätzlich zu den in diesem
Kapitel ermittelten Indizien für die erhebliche Bedeutung des Faches
Prüfungsdidaktik ergibt sich in der Befragung insgesamt ein weiterer wichtiger
Hinweis: Dieser besteht in der geduldigen und ernsthaften Bearbeitung dieses
Fragebogens durch die Befragten, der mit seinen insgesamt 54 Fragen erheblich
länger war, als dies im gegebenen Rahmen dargestellt werden konnte. Würden
Prüfungen von den Befragten nicht eine enorme Bedeutung zugeschrieben, hätten
diese den Fragebogen entweder nicht erst zu bearbeiten begonnen oder vorzeitig
abgebrochen. Dass sie ihn hingegen nicht nur vollständig bearbeitet, sondern die
einzelnen Fragen zudem mit großer Sorgfalt beantwortet haben, spricht nicht nur
für unsere Befragten, sondern auch für deren positive Einschätzung des Faches Prüfungsdidaktik.
Die hier durchgeführte Befragung impliziert
eine nicht geringe Anzahl an Forschungsdesiderata, auf die bereits im
jeweiligen Kontext verwiesen worden ist. Auf einige dieser wird im Folgenden an
unterschiedlichen Stellen der vorliegenden Monographie zurückzukommen sein,
andere werden der nunmehr notwendig gewordenen Forschungstätigkeit zur
Prüfungsdidaktik Orientierung verleihen und sie beflügeln[19].
Unsere Prüferbefragung steht somit in enger Verbindung mit den hier folgenden
Kapiteln einerseits wie auch mit Folgepublikationen zur Prüfungsdidaktik
andererseits. Sie bietet bereits an dieser Stelle einen wichtigen Anstoß für
die weitere Entwicklung dieses Faches[20].
Im nächsten Schritt unserer
Überlegungen wollen wir uns nunmehr mit allgemeinen Grundbedingungen
beschäftigen, die idealerweise für schriftliche und mündliche Prüfungen erfüllt
sein sollten.
[1] Vgl.: http://www.my3q.com/ (31.03.2011)
[2] An dieser Stelle
wird nur auf diejenigen Fragen unseres Fragebogens eingegangen, die für die
vorliegende Monographie von Relevanz sind. Eine gesamthafte Behandlung der
Frage-bogenkonzeption wie auch der Motivierung der ihn konstituierenden Fragen
wird in der erwähnten, separaten Publikation erfolgen.
[3] Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Gesamtsumme der einzelnen
prozentualen Anteile lediglich 99,9 % (vgl. Antwortalternative A mit 65,3 % und
Antwortalternative B mit 34.6 %) und
nicht 100,0 % beträgt, so entzieht sich die Ergebnisermittlung hier unserem
Einfluss: Deren Berechnung erfolgte nicht durch uns, sondern durch die
Fragebogenplattform My 3Q, auf der
wir die vorliegende Befragung erzeugt und durchgeführt haben. Diese
Feststellung ist in analoger Form auch auf solche Fälle erweiterbar, in denen
Prozentwerte nicht mit einer, sondern vielmehr mit zwei Stellen hinter dem
Komma aufgeführt sind, was bisweilen vorkommt. Auch in solchen Fällen mussten wir
der von dieser Plattform angebotenen Infrastruktur Rechnung tragen.
[4] Ausnahmen stellen
hier gegebenenfalls die östlichen Bundesländer dar wie auch solche
Sprachenzentren, die institutionell von einem – nicht selten fachfremden –
Professor geleitet werden, dem dann für das alltägliche Dienstgeschäft jedoch
ein geschäftsführender Leiter zur Verfügung steht.
[5] An dieser Stelle sei auf die Möglichkeit der Befragten hingewiesen,
Mehrfachnennungen vorzunehmen, die diese auch bei solchen Frage hatten, bei
denen dies im Fragebogen nicht ausdrücklich vermerkt worden war. Ziel dieses
Vorgehens war es, in der Beantwortung der einzelnen Fragen die größtmögliche
Freiheit zu gewähren.
[6] Auch in dieser Frage haben einige Befragte Mehrfachnennungen
vorgenommen.
[7] Dies impliziert jedoch zugleich, dass die Befragten der vorliegenden
Untersuchung tendenziell zu denjenigen Hochschuldozenten gehören, die Prüfungen
mitsamt ihren Implikationen gerade nicht
gleichgültig gegenüber stehen.
[8] Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass die Daten beider Prüfergruppen
prinzipiell jederzeit voneinander getrennt analysiert werden können, was im
Rahmen der vorliegenden Darstellung jedoch nicht beabsichtigt wird.
[9] Es wird notwendig
sein, dieses Teilergebnis nach der Komplettierung der Umstellung auf Bachelor-
und Master-Studiengänge an den deutschen Hochschulen einer Überprüfung zu
unterziehen.
[10] Quantitative
Resultate können zwar nicht den einzigen Indikator für sich in einem
definierten Bereich ergebende Forschungsnotwendigkeiten darstellen, sie können
jedoch ein bedeutsames Bewertungsadditiv repräsentieren.
[11] Es wird hier keineswegs auf eine umfassende Definition dieses Begriffes
abgezielt, sondern lediglich auf eine belastbare, den Fortgang der weiteren
Darstellungen stützende Arbeitsdefinition.
[12] Auf diese Weise
erhalten die weniger guten Prüfer die Möglichkeit, ein Mehr ihrer Zeit und
Energie in Forschung und Lehre zu investieren und sich auf diesem Wege eine
Weiterqualifizierung zu sichern, ohne dass ihnen durch die geringere Anzahl
abgenommener Prüfungen Nachteile erwüchsen.
[13] Die Kategorie Andere Angaben wird
auf dieser Analysestufe nicht detailliert ausgewertet.
[14] Eine Prüfung kann einem Prüfer zwar prinzipiell auch dann zur Freude
gereichen, wenn er durch eine entsprechende Fragetechnik bestrebt ist, die
Wissenslücken seiner Prüflinge bloßzulegen. Von einer solchen, negativen
Einstellung von Prüfern wird hier jedoch bewusst nicht ausgegangen. Darüber
hinaus ist von Bedeutung, dass diese Frage nicht auf die Ermittlung
problematischen Prüferverhaltens abhebt. Sie wird somit hier positiv - oder
zumindest nicht negativ - gewürdigt.
[15] Hier sei explizit auf die Ehrlichkeit verwiesen, die die Befragten bei
der Beantwortung der einzelnen Details an den Tag gelegt haben.
[16] Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Frage 45 exakt 65 Antworten
mehr erhalten hat als Frage 53 (319 zu 254 Antworten).
[17] Der Unterschied zwischen den Antwortalternativen D und E in Frage 45 mit
einem Gesamtanteil von 24,4 % und in Frage 53 mit einem Gesamtanteil von 23,3 %
ist nicht signi-fikant und somit auch nicht interpretierbar.
[18] Ein direkter
Vergleich zwischen Frage 18 einerseits und den Fragen 45 und 53 andererseits
ist nicht möglich, da Erstere aufgrund ihrer prüfungstypspezifischen
Ausrichtung anders formuliert werden musste als die beiden Letzteren.
[19] In diesem
Zusammenhang sei vordringlich auf Kap. 8 verwiesen.
[20] Die angekündigte
Publikation zu unserer Prüferbefragung wird in detaillierterer Form und in Erweiterung
auf die Befragung von Prüflingen zusätzliche Implikationen und Forschungsdesiderata
enthalten.